Zweierlei Flaschensammler

Pfandgeben.de ist nun auch in Bayern vertreten. Doch nicht jeder Leergut-Abholer ist bedürftig

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Online-Plattform pfandgeben.de bietet die Möglichkeit, Leergut an Flaschensammler zu spenden. Die Idee aus Berlin ist jetzt auch bis Bayern vorgedrungen. Doch ob mit pfandgeben.de wirklich die Bedürftigen erreicht werden, bleibt fraglich.

Manche nennen sie in Anspielung auf die Riester-Rente die »Trittin-Rente«: die Erlöse aus dem Sammeln von Pfandflaschen. Denn unter Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Bündnis 90/Grüne) wurde 2003 das Einwegpfand eingeführt, auch wenn die Idee von seinen Vorgängern stammt. Seitdem sind in den Städten vermehrt Sammler unterwegs, die aus den Abfalleimern leere PET-Flaschen und Getränkedosen fischen, um sie in den Supermärkten gegen 25 Cent pro Stück abzuliefern – für viele Bedürftige ein Zubrot zu Hartz IV oder zur Rente.

Ein Berliner Student will dieses Flaschensammeln nun über das Internet organisieren – und die Idee ist jetzt auch bis Bayern vorgedrungen: In Augsburg, Deggendorf, Germering, München und Passau können spendenwillige Flaschenbesitzer eine oder mehrere Handynummern anrufen, um ihre Leerflaschen abholen zu lassen.

Ohne Handy geht es nicht

»Pfandgeben.de« nennt sich die Homepage, die der Student Jonas Kakoschke (27) eingerichtet hat. Die Plattform vermittelt zwischen Pfandflaschenbesitzern und Pfandflaschensammlern. »Wir geben Dir die Handynummern von Pfandsammlern in deiner Gegend und Du rufst einfach einen an. Hilf Pfandsammlern bei ihrer Suche & werde Deine Flaschen los. Viel Spaß!« erklärt Kakoschke auf der Web-Seite das Prinzip.

Der Flaschenspender braucht also nur auf die Homepage pfandgeben.de gehen und dort seine Stadt und sein Stadtviertel suchen. Weil sich heute im Internet-Zeitalter so was sehr schnell rumspricht, sind mittlerweile schon etliche Städte und Viertel auf der Plattform aufgeführt: Von Augsburg-Antonsviertel über Chemnitz-Bernsdorf oder Hannover-Linden bis nach Passau-Umland. Fast jeden Tag werden es mehr. Klickt der Flaschenspender die Ortsangabe an, erscheint die Handynummer eines bereitstehenden Flaschensammlers.

Wer sich als Pfandsammler registrieren lassen will, kann dies per SMS tun: Einfach Spitznamen, Handynummer, Stadt und Bezirk eingeben und an eine Telefonnummer senden, lautet die entsprechende Anweisung.

Nun ist das Handy zwar längst kein Luxusgut mehr, doch Obdachlose etwa tun sich doch schwer mit den Handygebühren. Deshalb sammelt »pfandgeber«-Initiator Kakoschke nun auch alte Mobiltelefone mit Sim-Karte: »Sachspenden können uns auch weiterhelfen. Vor allem Handys und SIM-Karten werden benötigt, für Menschen, die pfandgeben.de nutzen wollen, aber kein Handy besitzen. Am direktesten ist die Ansprache der Sammler selbst.«

Und es funktioniert – jedenfalls mit dem Anruf bei der angegebenen Nummer. Martin zum Beispiel hat sich auf der pfandgeber-Seite als Abholer mit seiner Handy-Nummer eintragen lassen. Seit drei Jahren ist der arbeitslose Kraftfahrer aus Augsburg auf Hartz IV angewiesen, das mit den Pfandflaschen-Spenden hat er aus dem Internet erfahren. Angerufen hat freilich noch keiner. Der 51-Jährige hat sich aber gedacht: »Ich probier's einmal.«

So richtig glaubt Martin an die Idee allerdings nicht: »Wer hat schon Pfand zu verschenken?« Mit der pfandgeber-Aktion ist er übrigens zum ersten Male auf den »Trittin-Rente«-Zug aufgesprungen. Bisher hatte er sich noch nicht in die Reihen der Flaschensammler eingereiht: »Soweit bin ich Gott sei dank noch nicht«, sagt er.

Beamtin in Elternzeit

»Mucky« aus »Germering-Innenstadt« bei München ist etwas besser dran. Nein, arbeitslos ist er nicht, sagt der 28-jährige Fluggerätemechaniker. Er macht das aus Spaß. Hat doch ein Kumpel so bei einem »Fischzug« angeblich an die 30 Euro eingelöst.

Angerufen wurde »Mucky« bisher aber noch nicht, seit drei Wochen ist seine Nummer im Netz. Tätig werden würde er auch erst ab 40 Flaschen, darunter macht »Mucky« es nicht. Wäre eh nur des Spaßes wegen, vielleicht brächte es einen Kasten Bier. »Aber ich glaube nicht, dass sich wirklich etwas tut«, meint »Mucky«.

Auch »Knuffi« aus München-Milbertshofen ist nicht wirklich bedürftig. Die 34-jährige Beamtin ist in Elternzeit und meint, wenn sie ohnehin mit dem Kinderwagen unterwegs ist, könnte sie auch die leeren Flaschen abholen. »Ich bin sicher nicht das anvisierte Klientel«, meint sie, findet die Idee aber gut.

So segensreich sich also auch bei der »Trittin-Rente« das Internet zeigt, ob mit pfandgeben.de wirklich die Bedürftigen erreicht werden, bleibt fraglich. »Ich kann nicht kontrollieren, wer sich auf der Homepage anmeldet, ich muss den Menschen einfach vertrauen«, meint dazu Initiator Kakoschke. Ob sich hier ein »App« installieren lässt, mit dessen Hilfe der Flaschensammler dem edlen Spender seine Hilfsbedürftigkeit nachweisen kann, ist offen. Vielleicht findet sich ja ein karitativ eingestellter Software-Entwickler.

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