»Unpolitisch«

Necdet Özel ist der neue Generalstabschef der türkischen Streitkräfte

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Eigentlich sollte Necdet Özel die Position als Generalstabschef der türkischen Streitkräfte erst in zwei Jahren einnehmen. Doch profitiert der ehemalige Chef der Militärpolizei (Jandarma) vom Rücktritt der türkischen Militärführung, die am Freitag vor einer Woche für erheblichen öffentlichen Wirbel sorgte.

Anders als seine Vorgänger steht Özel Regierungschef Recep Tayyip Erdogan und seiner AKP nahe. Während die auf strikter Trennung von Staat und Religion bedachten Militärs die islamisch-konservative AKP bislang misstrauisch betrachteten, ist der 61-jährige Özel dem Ministerpräsidenten treu ergeben. Insofern markiert sein Amtsantritt eine Zäsur in der Geschichte der Türkei: Einerseits gewinnt die Politik Oberhand über das Militär, andererseits bedeutet dies die Schwächung jener Kraft, die sich als Garant eines Staates verstand, wie ihn Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk 1923 vorgesehen hatte.

Özel wurde 1950 in Ankara geboren. Mit elf Jahren erlebte er, wie das Militär, nachdem es geputscht hatte, den ersten demokratisch gewählten Regierungschef, Adnan Menderes, hinrichten ließ. Ein weiterer Putsch braute sich zusammen, als Özel 1970 in die Infanterieschule eintrat. Beim dritten und brutalsten Umsturz befand er sich als Stabsoffizier auf Zypern. Özel enthielt sich der Machtspiele des Militärs und strebte danach, ein »perfekter Profi-Soldat« zu sein, wie ein Studienkollege bemerkte. Anders als seine Kollegen zollt er den gewählten Regierungen Respekt: Er steht auf, wenn der Regierungschef kommt. So wundert es wenig, dass er im August 2010 den Oberbefehl über die Gendarmerie – eine Militäreinheit, die wesentlich am Kampf gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK beteiligt ist – übertragen bekam.

Bezüglich der kurdischen Frage gilt Özel in linken Kreisen als Hardliner. Seine Militärpolizei, stellten mehrere LINKE-Politiker in einer Erklärung fest, sei für ungezählte Morde, Folterungen und Grausamkeiten verantwortlich. Als Brigadegeneral soll er im Mai 1999 mit Gasgranaten gegen Guerillas vorgegangen sein. Mit der Ernennung Necdet Özels zum Generalstabschef sei ein »mutmaßlicher Kriegsverbrecher zum obersten Soldaten der Türkei« geworden.

Antje Stiebitz

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