Börsengänge in nervösen Zeiten

Emissionsvolumen war im ersten Halbjahr rückläufig

  • Christian Schultz, dpa-AFX
  • Lesedauer: 3 Min.
Schuldenkrisen, Japan-Katastrophe, Unruhen im Nahen Osten – der Aktienmarkt war schon im ersten Halbjahr 2011 allerlei Störfeuern ausgesetzt. Trotzdem wagten einige Unternehmen einen Börsengang. Das effektive Emissionsvolumen lag aber unter dem Wert des Vorjahreszeitraums.

Einige Experten sehen den Markt für IPOs (Intial Public Offerings) trotz Gegenwinds in voller Fahrt: »2011 ist der IPO-Markt trotz einiger Verschiebungen und Absagen wieder voll da«, sagt etwa Ralf Darpe, der bei der französischen Bank Société Générale das Kapitalmarktgeschäft im deutschsprachigen Raum leitet. Nach einem Volumen von 18,4 Milliarden Euro bei Börsengängen in Europa in den ersten sechs Monaten sei im Gesamtjahr mit 40 Milliarden Euro zu rechnen. In Deutschland stünden etwa mit Evonik und der Siemens-Tochter Osram nennenswerte Transaktionen auf der Agenda. Zudem gab Rheinmetall kürzlich bekannt, einen Börsengang seiner Automotive-Sparte Kolbenschmidt Pierburg zu erwägen. Berichten zufolge könnte der schon im Herbst kommen.

Doch an den Finanzmärkten herrschen derzeit Unsicherheit und Nervosität – alles andere als ein günstiges Umfeld. »Das Marktgeschehen ist geprägt von externen, nicht planbaren Schocks«, sagt Martin Steinbach von der Unternehmensberatung Ernst & Young. Deutschland könne sich vom globalen Kapitalmarkt nicht abkoppeln. »Investorenströme sind sehr liquide, mobil und reagieren sehr schnell.« In diesem Umfeld gewännen nur die Unternehmen am IPO-Markt, die gut vorbereitet sind. »Es gilt, flexibel zu sein, wenn zum Beispiel die Währungsdiskussionen gerade einmal nachlassen«, so Steinbach.

Insgesamt gab es in Deutschland in der ersten Jahreshälfte zehn Börsengänge. Das effektive Emissionsvolumen betrug laut einer Studie der Beratungsfirma Blättchen & Partner rund 1,5 Milliarden Euro. Im ersten Halbjahr des Vorjahres waren es etwa 1,9 Milliarden Euro – bei nur sechs Börsengängen. Andererseits sei das Emissionsvolumen im zweiten Quartal 2011 knapp fünf Mal so hoch gewiesen wie in den ersten drei Monaten, was für eine zunehmende Dynamik spricht.

Nach Meinung des Société-Générale-Experten Darpe müssen sich sowohl Emittenten als auch Investoren dauerhaft an deutliche Marktschwankungen gewöhnen. Auch er betont, dass es wichtig sei, zeitlich das »richtige Emissionsfenster« zu finden und zu nutzen. Der Trend gehe daher hin zu breiteren Bookbuilding-Spannen, innerhalb derer Interessenten ihre Zeichnungsangebote für die Aktien abgeben können. An seinem positiven Gesamteindruck ändert das indes nichts. »Der Markt ist wieder da für große und kleinere Transaktionen«, sagt Darpe. Dafür spreche, dass es im ersten Halbjahr mit dem Rohstoffhändler Glencore einen großen Börsengang in London gegeben hat.

Deutschland hatte im ersten Halbjahr keinen vergleichbaren Börsengang – doch mit der Siemens-Tochter Osram könnte Schwung in die Bude kommen. Hier rechnen die Experten ebenso wie bei Evonik mit einem Erlös in Milliardenhöhe. Bisher gab es mit dem Industrieausrüster Norma Group und GSW Immobilien allenfalls mittelgroße IPO's. Explosionsartige Kurssteigerungen wie zuletzt etwa beim US-amerikanischen Online-Netzwerk LinkedIn gab es in Deutschland seit der Dotcom-Blase nicht mehr und sind auch bei den anstehenden Börsengängen nicht zu erwarten.

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