nd-aktuell.de / 09.08.2011 / Politik / Seite 13

Letzte Rufe aus der Telefonzelle

Bayerns Grünen-Fraktionschef Martin Runge hat kein Handy. Politik geht auch ohne, sagt er

Arne Meyer, dpa
Martin Runge ist ein Exot. Zumindest, wenn es ums Telefon geht. Der Grünen-Fraktionschef ist Bayerns einziger Spitzenpolitiker ohne Handy, er setzt auf Festnetz und Telefonzelle. Für Runges Mitarbeiter ist es mitunter schwierig, ihren Chef zu erreichen.

München. Für manche Sitten der Kanzlerin hat Martin Runge kein Verständnis. SMS-Nachrichten in Sitzungen lesen, Antworten unter dem Tisch tippen – für den Grünen-Politiker gehört sich so etwas nicht. »Das macht keinen wahnsinnig guten Eindruck. Schließlich kann man sich dann nicht mehr auf das Eigentliche konzentrieren«, sagt der Grünen-Fraktionschef im bayerischen Landtag über die Handy-Gewohnheiten von Angela Merkel.

Runge selbst ist beim heimlichen Simsen noch nie ertappt worden – kein Wunder, denn ein Handy besitzt Runge nicht, er bleibt bei Festnetz und Telefonzelle. »Es ist von mir ein Signal, dass man nicht alles mitmachen muss. Unser Lebensalltag ist schon hektisch genug«, sagt der 53-Jährige. In Zeiten, in denen Politiker mit dem Smartphone am Ohr von Termin zu Termin hasten, auf kleinen Bildschirmen Nachrichten lesen und per SMS Regierungsgeschäfte führen, ist Runge ein Exot. Im Landtag gibt es nur noch zwei Abgeordnete ohne Handy. Neben Runge verzichtet auch sein Freisinger Parteifreund Christian Magerl auf das Mobiltelefon.

Die Antwort kann dauern

Stattdessen greift Runge auf altmodische Kommunikationsmittel zurück. Ist der Grünen-Politiker telefonisch nicht erreichbar, können Mitarbeiter und Kollegen auf seinem Anrufbeantworter eine Nachricht hinterlassen oder es mit einem Fax probieren. Auch E-Mails erhält Runge, eine Antwort kann allerdings dauern. Unterwegs hat der Fraktionschef seinen Laptop nur selten dabei: »Ich arbeite hauptsächlich mit Zettel und Papier.«

Die Befürchtung, ohne Mobiltelefon im politischen Alltag den Anschluss zu verpassen, hat Runge nicht: »Niemand muss immer und überall erreichbar sein. Die wichtigen Dinge bekommt man auch ohne Handy mit.« Mehrmals am Tag rufe er in seinem Büro an, um sich auf dem Laufenden zu halten. »Solange es ohne Handy funktioniert, gönne ich mir diesen Luxus.« Zudem sei bislang nicht ausreichend geklärt, welche Auswirkungen Mobilfunkstrahlung und Elektrosmog auf die Gesundheit hätten.

Noch hätten die Kollegen Verständnis für sein handyfreies Leben, sagt Runge. »Bislang hat es noch keine ernsthaften Beschwerden gegeben.« Das liegt auch an Margarete Bause, der Co-Vorsitzenden der Grünen im Landtag. In dringenden Fällen können Anfragen an Bause gerichtet werden. Manchen Mitarbeitern der Fraktion wäre es allerdings lieber, Runge hätte ein Handy – weil das zeitraubende Kontaktversuche ersparen würde.

Kabinen verschwinden

Einen triftigen Grund, warum er sich ein Handy anschaffen sollte, sieht Runge derzeit nicht. Auch wenn es für ihn mitunter schwierig ist, sich von unterwegs zu melden. Das Problem: Die von Runge genutzten Telefonzellen verschwinden mehr und mehr. Viele der Kabinen wurden in den vergangenen Jahren systematisch abgebaut. »Das ist tatsächlich ein Hemmnis.«