nd-aktuell.de / 16.08.2011 / Brandenburg / Seite 12

Wutbürger in Wurstpelle

Beim 25. Fantasy Filmfest treffen echte Innovationen auf altbewährte Genreklischees

Tobias Riegel
Verlierer, Superhelden-Karikatur, egoistischer Schläger: Der Film »Super« dekonstruiert verstörend und witzig Hollywoods Comic-Mythen.
Verlierer, Superhelden-Karikatur, egoistischer Schläger: Der Film »Super« dekonstruiert verstörend und witzig Hollywoods Comic-Mythen.

Lange hat Frank klaglos in der Imbissbude Burger gewendet und sich von seiner Frau missachten lassen. Doch unaufhaltsam driftet jene Ex-Stripperin (lasziv: Lyv Tyler) wieder in die Drogenabgründe ihrer unkeuschen Vergangenheit ab. Als sie schließlich mit einem Kleinganoven (schillernd: Kevin Bacon) durchbrennt, tun das auch die letzten Sicherungen in Franks Schädel (brodelnd: Rainn Wilson). Fortan sieht der korpulente Komplexhaufen buchstäblich rot – verwandelt er sich doch per dilettantischem Kostüm in »Crimson Bolt«. Was Autor und Regisseur James Gunn jenen abstoßend egoistischen »scharlachroten Blitz« anstellen lässt – geschützt durch Spandexkluft und Maske, befeuert durch ganz private Unbill – das bricht mit allem, was der Kinogänger bislang mit dem Superheldentum verbinden konnte.

Die ungewöhnliche und so verstörende wie lustige Mischung aus Psychostudie, Splatter und schwarzer Komödie wird am 20. August im Rahmen des heute startenden 25. Fantasy Filmfestes gezeigt. Der Termin dürfte einer der Höhepunkte des Festivals werden, zumal Regisseur Gunn anwesend sein wird.

Zwar hat Hollywood etwa mit Christopher Nolans innovativen »Batman«-Filmen oder dem beeindruckenden »Watchmen« von Zack Snyder die Vermenschlichung der Comic-Helden selber eingeleitet. Radikaler als bei Gunn jedoch ist jene Entzauberung kaum denkbar. In seiner höchst eigennützigen Raserei, nur notdürftig mit dem Feigenblatt der »Verbrechensbekämpfung« versehen, ist »Super«-Protagonist Frank nämlich das Paradebeispiel des entfesselten Wutbürgers. Die Anonymität der Maskierung und die offizielle Deklaration als Bürgerwehr bieten die Plattform zum schamlosen Ausleben persönlichster Ressentiments. Der von einer hemmungslos gewaltbereiten Teenie-Nymphomanin sekundierte Racheengel kann so für die menschenjagenden Tea-Party-Extremisten an der US-Grenze zu Mexiko ebenso stehen, wie für die namenlosen und hetzenden Sarrazin-Unterstützer im Internet.

Neben inhaltlicher Schärfe und Komik ist »Super« – etwa durch den großzügigen Einsatz betont billiger Comicelemente – auch formal interessant, strotzt vor Zitaten, Anspielungen, Persiflagen und bezieht sich eindeutig auf Kultwerke aus der 70er-Jahre-Trash-Schmiede »Troma Entertainment«. Super!

Eröffnet wird der Gewalt- und Gruselreigen (60 Filme in fünf Kategorien) heute Abend um 20 Uhr im Cinemaxx am Potsdamer Platz mit Troy Nixeys »Don't be afraid of the Dark«. Mit prominenter Besetzung (u.a. Katie Holmes und Guy Pearce) legt Nixey hier vielversprechend ein gleichnamiges Schauerstück aus den 70er Jahren neu auf – unter Mithilfe des so umtriebigen wie geschmackssicheren Guillermo del Toro (Produktion/Buch).

Den angeblich ersten Horrorfilm aus Israel steuert mit »Rabies« das Autoren-Regisseurs-Duo Aharon Keshales und Navot Papushado bei. Die Dreistigkeit und Quantität, mit der die beiden in zahllosen »Teenies-allein-im-Wald«-Filmen gewildert haben, beeindruckt durchaus: Die sich im Augenblick der Gefahr trennenden Jugendlichen, die psycho-sadistischen Polizisten, der einsame Fallensteller, das verfluchte militärische Sperrgebiet – man hat die Zutaten alle schon einmal gesehen. Dennoch arrangieren die Israelis daraus eine gemeine und streckenweise spannende Variation.

16.-24. August, Cinemaxx Potsdamer Platz, Cinestar Sonycenter, Infos: www.fantasyfilmfest.com[1]

Links:

  1. http://www.fantasyfilmfest.com