nd-aktuell.de / 18.08.2011 / Brandenburg / Seite 11

Jede Nacht Autos in Flammen

Erneut brannten in Berlin 15 Fahrzeuge / Senat appelliert an Bevölkerung, Polizei zu unterstützen

Martin Kröger

Die Serie von Brandstiftungen an Autos reißt nicht ab. Allein in der Nacht zu Mittwoch zündeten Unbekannte in Berlin 15 Fahrzeuge an, auf drei weitere griffen die Flammen über. Bereits in der Nacht zum Dienstag waren elf Autos angesteckt worden, sieben weitere wurden dabei beschädigt. Betroffen sind im Gegensatz zu früheren Brandserien, bei denen es vornehmlich in Innenstadtbezirken brannte, jetzt eher bürgerliche Bezirke wie Charlottenburg und Steglitz-Zehlendorf.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) verurteilte die Brandstiftungen im RBB-Inforadio gestern scharf: »Wir haben eine schreckliche Serie. Als Bürger habe ich eine ungeheure Wut auf das, was da passiert. Andererseits muss die Polizei einen kühlen Kopf behalten.« Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) bezeichnete die Brandstiftungen als völlig unakzeptablen »verwirrten Vandalismus«.

Sowohl Wowereit als auch Körting kündigten an, die nächtlichen Brandstreifen der Polizei nochmals personell aufzustocken. »Wir werden die Maßnahmen verstärken, aber bei den vielen tausend Kilometern Straße ist es nicht möglich, überall Polizisten hinzustellen«, erklärte der Innensenator. Darüber hinaus setzen der Senat und die Polizei nun auf Hinweise aus der Bevölkerung, die Körting und Wowereit explizit zur Unterstützung bei der Suche nach den Autozündlern aufriefen. Schon am Dienstag hatte ein Polizeisprecher erklärt, dass für Hinweise auf die Täter 5000 Euro Belohnung gezahlt werden.

Wer hinter den Brandanschlägen steckt, ist indes unklar. Man wisse leider nichts über den oder die Täter, räumte Körting ein. Aus seiner Sicht gebe es »teilweise einen linksextremistischen Hintergrund«. Inzwischen spiele aber auch, so der Innensenator, die Nachahmung eine große Rolle. In früheren Analysen zu den Brandstiftungen spielten ebenfalls Trittbrettfahrer eine Rolle, denen es darum ging, die eigene Versicherung zu prellen. Auf jeden Fall vermuten die Behörden, dass Einzelpersonen oder kleine Gruppen am Werk sind. Insgesamt habe die Hälfte der Taten einen politischen Hintergrund, sagt der Staatsschutz.

Tatsächlich war das Inbrandsetzen eine Aktionsform der linksradikalen Szene der Stadt. Dort wurde bereits in den neunziger Jahren das »Abfackeln« von sogenannten Nobelkarossen als Beitrag zum Kampf gegen die Verdrängung von ärmeren Menschen aus den Innenstadtvierteln begriffen. Im Zuge der Debatte um »Gentrifizierung« griffen Linksradikale erneut darauf zurück. Nach der letzten großen Brandserie 2009, als 145 Brandstiftungen begangen wurden, gab es aber auch in der radikalen Linken heftige Kontroversen über Sinn und Zweck sowie die Vermittelbarkeit des Zündelns. Nicht zuletzt diese Debatten führten wahrscheinlich dazu, dass die Zahl der Brandstiftungen im vergangenen Jahr stark zurückgegangen war. Bekennerschreiben zu den Anschlägen finden sich denn auch eher selten.

Eine Steilvorlage im laufenden Wahlkampf bieten die Brandstiftungen an Fahrzeugen unterdessen für CDU, FDP, aber auch rechtspopulistische Parteien, die zur Abgeordnetenhauswahl im September antreten. »Der Vandalismus hat unerträgliche Ausmaße angenommen und sich zu einem Flächenbrand entwickelt. Wie lange wollen Wowereit und Körting diesen Sittenverfall noch tolerieren?«, donnert etwa der Spitzenkandidat der CDU, Frank Henkel. Er unterstellt dem rot-roten Senat im selben Atemzug, die Hände in den Schoß zu legen und das Problem wegzuschweigen, während gleichzeitig die CDU-Forderungen nach einer Sonderkommission oder einem runden Tisch gegen »politischen Extremismus« seit Jahren abgeblockt würden.

Innensenator Körting erklärte gestern, dass das Landeskriminalamt eine eigene Abteilung habe, die sich mit den Brandanschlägen befasse. Das sei ausreichend. Er selbst mache sich zwar große Sorgen wegen der Brandserien, lasse sich aber persönlich nicht einschüchtern. »Ich parke mein Auto weiterhin auf der Straße vor meinem Haus.«