nd-aktuell.de / 20.08.2011 / Kultur / Seite 25

Plattenbau

Dass ausgerechnet DJ Phono, der 1979 in Rendsburg geborene DJ der Remmi-Demmi-Truppe Deichkind (»Arbeit nervt«, 2008) ein so zauberhaftes House-Electronica-Album einspielen würde, damit haben vermutlich nur engere Freunde des Musikers gerechnet. Dass der Mann, der mit bürgerlichem Namen Henning Besser heißt und ursprünglich vom Hip-Hop kommt, nichts anderes beherrschen würde als »auf die Zwölf«, war nicht gemeint. DJ Phono hat sich etwa als Produzent um den charmanten House-Electrosoul der International Ponys gekümmert. Nein, es ist der Grad der Schönheit, der verblüfft.

Und trauen muss man sich so etwas auch erstmal: gleich vier ambientartige, anscheinend aus Tropfen kristallklaren Wassers bestehende Laid-Back-Kontemplationen mit sehr langen Spannungsbögen an den Anfang eines Albums zu stellen, bevor die Metapher für Ungeduldige: »Ah, jetzt geht's los!« allmählich Konturen gewinnt – anhand einer gerade gespielten Bassdrum im fünften Track.

Ähnlich, wie zuletzt die Techno-House-Künstler Robag Wruhme und Ada auf DJ Kozes Label Pampa Records ihre weiche Seite offenbaren durften – vielleicht auch, um sich von den zwar einförmigeren, dafür umso kräftezehrenderen Anforderungen des Cluballtags erholen zu können –, veröffentlicht nun also DJ Phono mit »Welcome to Wherever You're Not« auf dem feinen Hamburger Label Diynamic ein »Werk der erweckten, der blühenden und enttäuschten Gefühle«.

Ja, auch das kommt vor, dass ein CD-Infozettel die Wahrheit spricht. Oder es einem zumindest leicht macht, daran zu glauben, denn von weit aufgeschlagenen Flügelflächen der Melancholie eines Instrumentalalbums auf das Innenleben eines Musikers zu schließen – so etwas erlaubt sich hoffentlich nur ein dummdreister Küchenpsychologe. Wie auch immer: DJ Phono zeigt sich dankbar gegenüber seinem Produzenten Jimi Siebels, den er wiederum für einen depressiven Charakter hält, vor allem aber für einen einfühlsamen Menschen, der sich sehr gut auf die gedeckten Stimmungen der Platte einzulassen wusste.

Nach insgesamt zwei Jahren Arbeit, die immer wieder von anderen Tätigkeiten unterbrochen war, summen und brummen hier nun die Bässe wie Hummeln, und es klöppelt und sirrt und flirrt und orgelt zart und filigran und immer in transparentem Moll. Im Verlauf des Albums schweben wir dann, unsern letzten Liebeskummer noch im Genick, zusehends Richtung Nachtleben. Versprochen wird einiges, gehalten auch. Euphorie in nuancierten Dosen mit Sicherheit. Und Tanz in kleineren, dafür umso niveauvolleren Clubs. Möglicherweise auch: neues Glück.

Michael Saager

DJ Phono: »Welcome to Wherever You're Not« (Diynamic / Word and Sound)