nd-aktuell.de / 23.08.2011 / Kommentare / Seite 4

Hintergründig

Matthias Brandt gab als Münchner Kommissar seinen Einstand beim »Polizeiruf 110«

Hans-Dieter Schütt

Am Schluss seines ersten Einsatzes als neuer »Polizeiruf 110«-Kommissar tanzt er solo um sich selber, tanzt nach türkischer Musik, beim Türken um die Ecke. Tanzt ungelenk, etwas fern vom vorgegebenen Rhythmus, aber glücklich. Matthias Brandt als Ermittler Hanns von Meuffels – der Name wie ein Programm: Wer den ausspricht, hat irgendwie an einem Fremd- und Querstück zu kauen. Dieser Mann scheint abzuwarten, und das ist hochmütig, weil dieses Verhalten darauf baut, dass die anderen kommen müssen. Aus der Deckung. Aus ihrer Sicherheit. Aber ein Hochmut ist das, ganz aus intelligenter, hintergründiger Bescheidenheit.

Matthias Brandts Augen scheinen die Kamera anzuschauen und zu sagen: Hol dir doch, was du brauchst. Seine Stärke liegt in einer nahezu unheimlichen Abwesenheit, die aber bildschirmfüllend

ist. Er hat im deutschen Fernsehen dem ältesten Menschengewerbe, nämlich der Gaunerei und Zwielichtigkeit, einen ganz eigenen Charakter gegeben. Er ritt nahezu nackt auf einem Elch, in der Komödie »Ein Mann, ein Fjord«, er war ein eiskalter Mörder im Dreiteiler »Entführt«, er machte eine Stasi-Biografie zum beklemmenden Bild einer ins Heute verschleppten Aggressivität.

Er studierte Schauspiel in Hannover, spielte in Oldenburg, Wiesbaden, Mannheim, Bonn, München, Zürich, Bochum, Frankfurt. Langstrecke. Dann die Souveränität, nicht in die Falle der Erfolgs- und Popularitätsgier zu gehen. Ein Schauspieler (und nun Kommissar), dem übertriebene Besessenheit fremd zu sein scheint.

Er ist, 1961 geboren, einer der drei Söhne von Willy Brandt; geboren wurde er übrigens an einem 7. Oktober – da man im Osten der Stadt feierte, was seinem Vater, dem Regierenden Bürgermeister Westberlins, schlaflose Zeiten bescherte: die Mauer. Über vierzig Jahre später würde er im Fernsehen just jenen Mann spielen, der das politische Schicksal seines Vaters besiegelte – DDR-Spion Günter Guillaume (»Im Schatten der Macht«). Hinter allem, was Brandt für sein Spiel als raffiniert, als böse definiert und ins Körperliche umsetzt, thront doch oft eine gravitätische oder rührend ohnmächtige Traurigkeit. Lebenswahrheit – im Spiel wird sie Geheimnis. Und tanzt.