Londons Sparfuchs verliert Ikonenstatus

Arsenals Trainer Arsène Wenger wird von Fans angefeindet, weil er keine teuren Stars einkaufen will

  • Christian Heinig
  • Lesedauer: 3 Min.

Vor ziemlich genau zwei Jahren hätte Arsène Wenger beinahe Hochverrat begangen. Real Madrid hatte angerufen, ausgerechnet jener pompöse Renommierklub, der als Pionier in Sachen zügellose Einkaufspolitik gilt. Wenger, der Elsässer mit Hang zum Jugendstil und Schleifer-Image, soll für einen Moment ernsthaft über ein Flugticket London-Madrid sinniert haben. Doch er erinnerte sich an »seinen« Klub Arsenal, an »das Projekt«. Bei Real würden sie »einen anderen Weg« gehen, sagte Wenger. Er blieb in London.

Seit fünfzehn Jahren ist der 61-jährige Wenger schon Trainer beim FC Arsenal, den »Gunners«, wie die Nordlondoner genannt werden. Er hat den Klub als Teammanager viermal zum Pokalsieg geführt, obendrein gab es drei Meistertitel zu feiern, 2004 ohne eine einzige Niederlage. Sein Status als Ikone ist jedoch ernsthaft in Gefahr. Einige Fans, die ihr titelhungriges Magenknurren nach sechs Jahren ohne Meisterfilet nicht mehr beherrschen können, sind sauer auf Wenger. Sie wollen, dass er von seiner Gewohnheit abrückt, nur auf junge, entwicklungsfähige Spieler zu setzen, statt auf gestandenes Edelpersonal.

»Spend some fucking money!« – Gib' endlich Geld aus! Das skandierten Arsenals Fans am Sonnabend, als die Mannschaft gerade dabei war, ihr Heimdebüt gegen Liverpool 0:2 zu vermasseln. Torlos steht Arsenal nach zwei Spieltagen in der Premier League mit einem mageren Punkt da.

Die Klubschatulle müsste gut gefüllt sein nach dem Abgang von Cesc Fàbregas (für 42 Millionen Euro zum FC Barcelona) und Emannuel Eboue (3,5 Millionen, Galatasaray Istanbul). Gestern verabschiedete sich auch Samir Nasri (28,5 Millionen, Manchester City).

Der Sparfuchs von London hat in Sachen Personalplanung aber eine eigene Auffassung: »Man kann viel Geld ausgeben und trotzdem ein schlechtes Team haben«, sagt er. Seit Jahren rudert er gegen den Trend, den die »Großen Drei« vorgeben. Die Klubs United und City aus Manchester sowie der FC Chelsea sind für Maßlosigkeit bekannt.

Bei aller soliden Haushaltsführung vergisst es Wenger bisweilen, in Abwehrpersonal zu investieren. Lieber kauft er für die Offensive ein, wie den Ivorer Gervinho für 13 Millionen Euro. Zudem holte Wenger mit Alex Oxlade-Chamberlain einen 17-jährigen Flügelstürmer für 17 Millionen Euro von Zweitligaaufsteiger Southampton sowie den 19-jährigen Verteidiger Carl Jenkinson für 1,2 Millionen. Wenger spricht von »Top Players«, von Spitzenspielern, denen man aber Zeit geben müsse.

Zeit hat Arsenal eigentlich nicht. Heute tritt der Klub in der Qualifikation zur Champions League in Udine an. Das Hinspiel hatte hauchdünn 1:0 geendet. Verpasst Arsenal den Sprung in die Eliteliga, dürften die »Kauf-ein-Rufe« erneut aufbranden. Wenger wird sie nicht überhören können. Eine Sperre der UEFA zwingt ihn, auf der Tribüne Platz zu nehmen.

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