Kriegsdiktator

Die Verhängnisgestalt Erich Ludendorff

  • Harald Loch
  • Lesedauer: 3 Min.

Politische Biografien historischer Persönlichkeiten bieten die Gelegenheit, eine bereits erforschte Epoche, dem Faden eines Lebenslaufs folgend, neu zu erzählen. Dabei eröffnen sich gelegentlich sich andere Perspektiven, die auch genauere Urteile über die allgemeine Entwicklung der Zeit ermöglichen. Erich Ludendorff (1865 – 1937) ist in dieser Hinsicht eine dankbare Figur. Manche sehen in ihm den mächtigsten Mann im Deutschen Reich zwischen Bismarck und Hitler, und einige halten ihn für den Erfinder des »totalen Krieges«. Sein Biograf aus Dresden, der Historiker Manfred Nebelin, bezeichnet ihn als »Diktator im Ersten Weltkrieg«. Der Autor zeichnet zunächst die militärische Karriere des »Musteroffiziers« der preußischen Armee nach, der schon in jungen Jahren verantwortungsvolle Aufgaben im Generalstab übernahm. Angesichts des von der militärischen Führung mit Sicherheit erwarteten Krieges hatte Ludendorff schon Jahre vor dessen Ausbruch eine drastische Heraufsetzung der Friedensstärke des Heeres gefordert, sich aber mit seinen Denkschriften bei der politischen Führung des Reiches nicht durchsetzen können.

Die Machtkämpfe zwischen Militär und Politik beherrschen bis zum Ende des Ersten Weltkrieges das verwirrende Erscheinungsbild des Deutschen Reiches. Ludendorff nahm hieran in der zweiten Kriegshälfte als »Erster Generalquartiermeister« neben Hindenburg in der Leitung der Obersten Heeresleitung (OHL) an hervorragender Position teil. Nach den militärischen Fehlschlägen im Westen waren die ersten beiden OHL abgelöst worden und das im Osten erfolgreiche Tandem Hindenburg/Ludendorff (Die »Sieger von Tannenberg«) als 3. OHL berufen worden. Aus dieser Stellung heraus erwirkte Ludendorff die Entmachtung der Reichsregierung, des Reichstages und letzten Endes auch des Kaisers, um die letzten wirtschaftlichen Ressourcen des Landes in den Dienst der Rüstungsproduktion zu mobilisieren. Politisch fatal war die geradezu erpresserische Durchsetzung des »uneingeschränkten U-Boot-Krieges«, der den Kriegseintritt der Vereinigten Staaten geradezu herausforderte.

Die Entwicklung auf den europäischen Kriegsschauplätzen, die Entmachtung der politischen Gremien, die fatalen militärischen und wirtschaftlichen Fehleinschätzungen und der ruhmlose Abgang Ludendorffs mit seiner aus Furcht vor strafrechtlicher Verfolgung als Kriegsverbrecher durch die Siegermächte erfolgten Flucht nach Schweden werden eingehend geschildert. Nebelin ist in seiner minutiösen Dargestellung allen Quellen nachgegangen und belegt seine Urteile mit einer Fülle von Zitaten. Das Fußnotenregister macht fast ein Viertel eines Buches aus.

Was etwa Hans-Ulrich Wehler im 4. Band seiner »Deutschen Gesellschaftsgeschichte« über die Strukturprobleme im Deutschen Kaiserreich formuliert, wird von Nebelin an einer konkreten Person fest- und gleichsam »erfahrbar« gemacht. Die »Verhängnisgestalt« Ludendorff, auf die sich Hitler später publikumswirksam berief, gewinnt durch dieses Buch Konturen. Dem Lerser steht es anheim, das in Kriegszeiten so entscheidende Verhältnis zwischen Militär und Politik auf aktuelle Weise zu problematisieren.

Manfred Nebelin: Ludendorff. Diktator im Ersten Weltkrieg. Siedler, München 2011. 750 S., geb., 39,99 €.

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