Mauer

  • Bernd Zeller
  • Lesedauer: 2 Min.
Kolumne: Mauer

Fünfzig Jahre nach dem Bau der Mauer gibt es unterschiedliche Meinungen darüber, wie dieses Ereignis zu bewerten sei. Es ist ein Gebot des Pluralismus, sich mit diesen Ansichten inhaltlich zu befassen.

Nicht wenige Menschen sagen: Man kann über die Mauer sagen, was man will, aber sie hat uns die Wessis vom Leibe gehalten. Auf westlicher Seite herrscht die komplementäre Einstellung hinsichtlich der Ossis.

Im Rückblick kann man durchaus als positiv vermerken, dass dank der Mauer die Wiedervereinigung so lange hinausgeschoben wurde, bis sie sich gelohnt hat. In den letzten zwanzig Jahren war auch nicht alles schlecht.

Vertritt man den Standpunkt, die Mauer habe 28 Jahr lang den Frieden gesichert, muss man Egon Krenz die Schuld am Dritten Weltkrieg zurechnen, oder: Schabowski. Der Dritte Weltkrieg ist zwar noch nicht ausgebrochen, aber kann ja noch werden.

Politische Neubewertungen sollen selbstredend nicht dazu führen, die Lebensleistung der Wachhabenden an der Mauer zu diskreditieren. Legt man aber auf Lebensleistung besonderen Wert, so ist auch die Lebensleistung derjenigen zu würdigen, die es über die Grenze geschafft haben.

Der Mangel an multikultureller Gesellschaft innerhalb der entwickelten sozialistischen wird möglicherweise ausgeglichen durch die im Vergleich zu heute geringer klaffende soziale Schere. Autos brauchten nicht abgebrannt zu werden, weil es keine Wut auf die Autobesitzer gab, die die Wartezeit durchgestanden haben. Beim Plündern von Läden hat man sich in die Schlange eingereiht und an der Kasse bezahlt.

Ein Wiederaufbau ist aus zwei Gründen nicht möglich. Niemand hat die finanziellen Mittel, eine Mauer zu errichten, und es fehlen die Besatzungszonen.

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