Herbst der Patriarchen

MEDIENgedanken: Murdoch, Berlusconi und Kirch

  • Katharina Dockhorn
  • Lesedauer: 4 Min.

Murdochs Imperium angeschlagen nach dem Abhörskandal der »News of the World«, Berlusconi steht vor einer Strafzahlung von mehr als 500 Millionen Euro und Leo Kirch stirbt, bevor der Kampf um die Rettung seines Lebenswerks beendet ist. Im Juli 2011 sorgten die drei Überväter der internationalen Medienszene für Schlagzeilen. Ihre Namen wurden zum Synonym für undurchschaubare Medienkonzerne mit unzähligen Tochterfirmen und Querverbindungen, für Skrupellosigkeit und das Aushebeln eines wesentlichen Grundsatzes der westlichen Demokratie: Die Trennung von Politik und Medien.

Ob die Ära der von mächtigen Patriarchen geführten Mediengiganten ihrem Ende entgegen geht, werden die kommenden Monate zeigen. Zumindest in Deutschland scheint ausgeschlossen, dass eine Einzelperson wie Kirch in absehbarer Zeit solche Macht erringen kann. Verändert haben die drei die Medienwelt nachhaltig und vielleicht irreversibel.

Kirch, Berlusconi oder Murdoch kungelten bei ihrem Aufstieg mit der Politik, mal mehr und mal weniger öffentlich. Er habe einen Freund verloren, gestand Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl nach dem Tod von Leo Kirch, diesem öffentlichkeitsscheuen Strippenzieher. Man kannte und half sich. In kleinen Dingen – so soll in den 1990ern ein Anruf Kirchs bei Kohl gereicht haben, um das Filmförderungsgesetz in seinem Sinne zu gestalten. Die Produzenten der Filme wollten die Rechte an ihren Werken nur für fünf Jahre an das Fernsehen abtreten. Der Kanzler soll die von Kirch gewünschten sieben Jahre durchgesetzt haben.

Gravierender für die internationale Medienlandschaft war der Aufbau von drei Imperien, in denen Print- und elektronische Medien zur marktbeherrschenden Meinungsmacht vereint wurden und in denen der Informationsanteil immer stärker gegen belanglose Unterhaltung ausgetauscht wurde. Die Muster gleichen sich. Kirch, Berlusconi und Murdoch kauften sich in Verlage ein oder übernahmen renommierte Zeitungstitel. Zugleich stiegen sie nach den bescheidenen Anfängen des von konservativen Politikern als Alternative zu den »linken« öffentlich-rechtlichen Sendern geförderten Privat- und Pay-TV-Fernsehens in diese Branche ein. Auf der britischen Insel wurden dafür Kartellgesetze ausgehebelt, in Italien die Gesetze fortlaufend den Anforderungen Berlusconis angepasst.

Auch politisch brachten sie die Sender auf Linie. So holte Leo Kirch den strammen CSU-Mann Heinz Klaus Mertes Mitte der 1990er Jahre als Informationsdirektor zu Sat. 1, aus dem Politikbetrieb ausgeschiedene Funktionäre wechselten nahtlos in Firmen von Kirch. Legendär sind auch die Erzählungen von ehemaligen Mitarbeitern des Hauses Springers über den Druck, mit dem Kirch versuchte, eine der Politik seines Freundes Kohl wohl gesonnene Ausrichtung in der Berichterstattung zu erzwingen.

In Großbritannien kommt jetzt heraus, dass Politiker aller Parteien um die Gunst von Murdochs Redaktionen buhlten. In Italien sind gar nur wenige Print-Titel übrig geblieben, die dem Regierungschef Berlusconi kritisch gegenüberstehen. In Italien fand die Vision seine Vollendung, die Hofberichterstattung seiner Medien begleitet Berlusconis politisches Wirken. Das Programm italienischer Fernsehsender ist heute oft nicht mehr als ein belangloser Pausenfüller und Werbeunterbrecher. Selbst die RAI, der öffentlich-rechtliche Sender Italiens, ist heute nur noch ein Schatten früherer Tage.

Auch in den Programmen der BBC und ARD und ZDF haben die vergangenen Jahrzehnte unübersehbare Spuren hinterlassen. Unter dem Diktat der Quote, dem ständigen Rechtfertigungsdruck für die Gebühren gegenüber der Politik und der Lobbyarbeit der privaten Sender, verschwanden informative anspruchsvolle Sendungen in die späten Abendstunden oder wurden in Spartenprogramme abgeschoben. Das Infotainment zog ins Programm ein. Ein Ende dieser Trivialisierung, des Vormarsches des Boulevards, ist nicht absehbar.

Dessen Siegeszug ging einher mit dem Aufweichen von moralischen Grenzen bei der Recherche. Besonders perfide geschah dies in Großbritannien. Kompromittierende News aus dem Privatleben von Royals, Politikern und Prominenten wurden auf illegalen Wegen beschafft. Aber auch in Deutschland wurde die »Bunte« aus dem Hause Burda, das Flaggschiff der Society-Zeitschriften, bereits das zweite Mal der Zusammenarbeit mit Informanten beschuldigt, die mit illegalen Mitteln in der Privatsphäre von Politikern schnüffeln. Solche Entwicklungen lassen sich durch Gesetze zum Schutz der Privatsphäre wieder zurückdrehen. Schwieriger wird es mit dem Bewusstsein des Publikums. 30 Jahre fortlaufender Verwässerung der Qualität haben den Geschmack des Publikums und deren Wahrnehmungsmuster von Politik nachhaltig geprägt.

Doch die Demokratie braucht heute mehr denn je eine qualitätsorientierte Medienlandschaft, die unabhängig vom Einfluss politischer Entscheidungsträger und von ökonomischen Zwängen über das Weltgeschehen berichtet. Und in Kommentaren den Bürgern je nach politischer Couleur eine Interpretation bietet. Nur so kann sich der Citoyen, der Bürger, eine eigene Meinung bilden. Diese alte Weisheit zu verteidigen und wieder zum Grundsatz des Handelns zu machen, steht auf der Tagesordnung.

Die Autorin ist freie Medienjournalist und lebt in Berlin.

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