Mathe-Nachhilfe vor dem Parlament

Während freie Schulen demonstrierten, debattierten Abgeordnete den Landeshaushalt

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Vor dem Hintergrund einer überraschend guten Wirtschaftsentwicklung debattierte der Landtag gestern den Entwurf zum Landeshaushalt 2012. »Wir haben die Nettokreditaufnahme gesenkt, unsere Spielräume sind größer geworden, die Steuereinnahmen gestiegen«, freute sich Finanzminister Helmuth Markov (LINKE). Die Wirtschaft entwickle sich gut, die Personalausgaben stiegen leicht, die Zinsbelastung sinke sogar, »das ist es, was wir brauchen.« Dass die Ausgaben für Investitionen sinken, räumte Markov ein, sei nicht nur ein schlechtes Zeichen: Damit erweise sich, dass Brandenburg Fortschritte gemacht habe und sich nun mehr auf die Reparatur des Bestehenden konzentrieren könne.

Doch schwebe das Bundesland nicht im luftleeren Raum und müsse u. a. damit rechnen, dass die Finanzkrise sich für die reale Wirtschaft negativ bemerkbar mache oder sogar ihr »Totengräber« sein könnte, schränkte der Minister ein. Problematisch sei der Handel mit Finanzprodukten, der zu allem Überfluss auch noch steuerfrei sei, sowie die Selbstverständlichkeit, mit der die Steuerzahler für die Zockerverluste von Banken geradezustehen hätten. Deutschland sollte vorangehen und endlich diese Geschäfte besteuern.

Weil die Debatte live im Fernsehen übertragen wurde, behandelte CDU-Fraktionschefin Saskia Ludwig Finanzfragen nur am Rande. Sie hackte stattdessen auf ihren politischen Gegnern herum, ließ sich zum Thema Stasi-Aufarbeitung aus und bezichtigte die rot-rote Koalition, freien Schulen die Luft abzuschnüren und »am Volk vorbei zu regieren«. Als sie der Landesregierung Gleichgültigkeit gegen den Fluglärm-Demonstranten vorhielt, erntete sie Heiterkeit. Denn Ludwig selbst hat gerade eine tolle Pirouette hingelegt, indem sie sich binnen Stunden von einer Schönefeld-Befürworterin zu einer Schönefeld-Skeptikerin und dann wieder zu einer Schönefeld-Befürworterin wandelte. »Die Presse hat Ihren Stil als eine Art Kunstflug gedeutet, es ist aber doch mehr ein Blindflug«, konterte LINKE-Fraktionschefin Kerstin Kaiser.

Auch Grünen-Fraktionschef Axel Vogel warf der Landesregierung angesichts gekürzter Zuschüsse zu freien Schulen vor, ideologische Aversion gegen die freien Schulen auszuleben. Er prangerte Brandenburg an, das als einziges ostdeutsches Flächenland noch neue Schulden aufnehme, während die anderen das ab 2012 nicht mehr täten. Richtig, antwortete Kaiser. Der Preis dafür sei, dass Thüringen die Zuweisungen an die Kommunen um ein Viertel gekürzt habe, und auch in Sachsen-Anhalt verringerten sich die Zuweisungen an die Kommunen um 120 Millionen Euro. Brandenburg dagegen erhöhe seine Zuweisungen um genau diese Summe. Eine Haushaltskonsolidierung erfolge auch in Brandenburg, aber mit sozialem Maß. Der Preis dürfe nicht die finanzielle Strangulierung der Kommunen sein.

Angesichts der parallel zur Parlamentssitzung stattfindenden Demonstration von Schülern und Lehrern freier Schulen vor dem Landtag, betonte SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher, dass deren Existenz nicht in Frage gestellt werde. Der Protest der Schulen richtete sich gegen die geplante staatliche Zuschusskürzung von rund 50 Millionen Euro bis 2015. Die Demonstranten reagierten darauf mit der Übergabe von Schultüten an Abgeordnete und einer »Mathe-Nachhilfestunde«.

Bildungsministerin Martina Münch (SPD) sprach sich zwar für Bildungsvielfalt in Brandenburg aus. Trotzdem stehe ein ganz schwieriges Haushaltsjahr bevor, in dem überall gespart werden müsse. »Einschnitte sind immer schwierig und insofern kann ich es verstehen, dass die Schüler protestieren«, betonte Münch. An Einsparungen auch bei den staatlichen Schulen führe aber kein Weg vorbei.

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