nd-aktuell.de / 02.09.2011 / Politik / Seite 8

Schweizer Ausgrenzung

Kritik am Umgang mit Behinderten

Peter Nowak
»Berufsbildung für alle – auch für Jugendliche mit Behinderungen«, so lautet das Motto einer Petition, für die bis zum 1. September in der Schweiz Unterstützungsunterschriften gesammelt wurden.

Die Initiative wird von führenden Behindertenorganisationen getragen. Unterstützung erhält sie von Schweizer Politikern aus fast allen politischen Lagern, außer der rechtskonservativen SVP. Die Petition ist eine Antwort auf einen Vorstoß des Schweizer Bundesrats, der weitere Einsparungen zur Sanierung der Invalidenversicherung plant. Dafür sollen Jugendliche mit Behinderung schlechter gestellt werden. Ihnen soll eine Berufsausbildung nur noch dann finanziert werden, wenn eine gewisse Perspektive besteht, dass sie später einen Lohn erwirtschaften, von dem sie leben können.

Zwei Drittel der heutigen Auszubildenden, die über die Invalidenversicherung eine Lehrstelle finanziert bekommen, würden dann leer ausgehen, befürchten Sozialexperten. Sie verweisen auf die Folgen für die Betroffenen. »Es ist inakzeptabel, dass Jugendliche mit Behinderung aus reinen Rentabilitätsüberlegungen die Berufsausbildung verwehrt wird«, kommentiert der linke Schweizer »Vorwärts« die Kürzungspläne. »Erst der Profit – dann der Mensch«, fasst die Zeitung die Logik der Sparbeschlüsse zusammen

Die Kritik an den Plänen reicht bis weit ins bürgerliche Spektrum. Behindertenorganisationen verweisen in Pressemitteilungen darauf, dass Menschen mit Behinderung durch die Pläne Lebenschancen genommen werden. Bereits im Alter von 16 bis 18 Jahren solle darüber entschieden werden, ob Jugendlichen mit Behinderung eine Ausbildung zu- oder abgesprochen wird. Und dies aufgrund von Erwägungen, ob die erbrachte Arbeitsleistung eines Tages ausreichend wirtschaftlich verwertbar sein wird oder nicht«, monieren Gegner der Sparmaßnahme.

Sie weisen auch daraufhin, dass es bei der Invalidenrente seit Jahren Kürzungen und Verschlechterungen gab. Immer seien sie mit wirtschaftlichen Notwendigkeiten begründet worden und immer sei bei den Menschen mit wenig Einkommen gespart worden. Mit einer unappetitlichen Missbrauchsdebatte bei den Sozialleistungen und Steuergeschenken an die Reichen lasse sich die Invalidenversicherung jedoch nicht sanieren, so linke Kritiker dieser Politik. Von der Verschlechterung der sozialen Standards sind in der Schweiz aber auch vermehrt Menschen betroffen, die noch Arbeit haben. Erst vor wenigen Wochen forderte der Schweizer Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt längere Arbeitszeiten und Lohnkürzungen.