nd-aktuell.de / 07.09.2011 / Politik / Seite 5

Wasserwerfer ohne Warnung

In Dortmund sorgte die Polizei allein für den Schutz der Rechten

Marcus Meier
Autonome, LINKE und Rot-Grüne sind sich einig: Die Polizei ging am Samstag unverhältnismäßig brutal gegen antifaschistische Demonstranten vor. Das beklagen alle drei Dortmunder Antifa-Bündnisse. Derweil wurde ein Friedensfest schutzlos gelassen.

Nach der rechtsextremen Demonstration zum so genannten »Nationalen Antikriegstag« am Samstag in Dortmund mehrt sich die Kritik am als unverhältnismäßig und brutal empfundenen Vorgehen der Polizei gegen antifaschistische Demonstranten. So bezeichnete die Linksfraktion im Rat der Stadt Dortmund gestern in einer Stellungnahme insbesondere den Einsatz von Pfefferspray als unverhältnismäßig. »In den engen Gassen der Nordstadt mit Reizgas zu hantieren, widerspricht schon dem gesunden Menschenverstand«, monierte Fraktionschef Utz Kowalewski den Einsatz gegen eine friedliche Blockade des linken Bündnisses »Dortmund stellt sich quer«.

Sanitäter behindert

Kowalewski sprach von einem »Revanchefoul«: Unmittelbar vorher habe es Übergriffe auf Beamte an anderer Stelle gegeben. Diese seien aber nicht aus den Reihen des Bündnisses verübt wurden. Mit ihrem »Revanchefoul« habe die Polizei das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gebrochen. Zudem sei den Blockadeteilnehmern nicht ermöglicht worden, sich vom Ort des Geschehens zu entfernen – weil die Polizei den Gaseinsatz nicht rechtzeitig angedroht habe.

Schließlich hätten die Beamten eine medizinische Erstversorgung »der zahlreichen verletzten Demonstranten« (Kowalewski) verhindert. Sie sollen die Fahrzeuge von Sanitätern schlicht nicht zu den vom Tränengas Geschädigten durchgelassen haben. Kowalewski spricht von Augenreizungen und Kreislaufzusammenbrüchen. Mehrere Personen hätten ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen. In Mitleidenschaft gezogen worden seien auch unbeteiligte Passanten, darunter nach Kowalewskis Angaben eine Mutter mit einem drei Monate alten Säugling.

Derweil begrüßt das von Grünen, SPD und Gewerkschaftern geprägte Bündnis »Dortmund Nazifrei« den »souveränen Umgang der Polizei mit unserer Blockade«, kritisiert indes einen »unverhältnismäßigem Einsatz« und die »Anwendung unnötiger Gewalt durch die Polizei« bei der »ebenso friedlichen Blockade« von »Dortmund stellt sich quer«.

Mit »Unverständnis und Empörung« reagieren die rot-grünen Nazigegner auf einen Übergriff von 40 bis 50 Nazis auf ein kirchliches Friedensfest. »Während der Naziaufmarsch von 5000 bundesweit angeforderten Polizistinnen und Polizisten beschützt wurde, waren für den Schutz dieses zivilgesellschaftlichen Festes lediglich zehn bis 15 Polizistinnen und Polizisten abgestellt.« Die Feiernden seien den Nazis schutzlos ausgeliefert gewesen: »Hier entstand der Eindruck, als schütze die Polizei die Nazis, nicht aber die Demokraten.« »Dortmund Nazifrei« widersprach zudem Versuchen des Dortmunder Polizeipräsidenten Hans Schulze, die Ursache für eine aufgeheizte Stimmung in Aufrufen für friedliche Blockaden zu sehen.

Seit Jahren milde zu Nazis

Auch das dritte, tendenziell autonome Dortmunder Blockadebündnis »Alerta!« beklagt »Polizeiwillkür«. Ein ganzer Stadtteil sei hermetisch abgeriegelt worden, um den Nazis ihren Aufmarsch zu ermöglichen. Die Polizei habe dabei ohne Vorwarnung Wasserwerfer, Pfefferspray, Schlagstöcke, Hunde und eine Reiterstaffel gegen Antifaschisten eingesetzt, sobald diese sich der Sperrzone genähert hatten.

Polizeieinheiten aus der gesamten Republik hatten am Samstag mehrere tausend Demonstranten in Schach gehalten und mit Ausnahme einer eher symbolischen Blockadeaktion alle Versuche zunichte gemacht, den Aufmarsch von 700 militanten Neonazis zu stoppen. Derweil konnten die Rechten weitestgehend frei marschieren und Parolen wie »Nationaler Sozialismus jetzt!« skandieren.

Die Dortmunder Polizei steht seit Jahren in der Kritik, weil sie die in der Westfalen-Metropole besonders präsente und brutale Naziszene allzu milde behandele. Im Fokus steht dabei insbesondere Polizeipräsident Hans Schulze.