Sturm auf israelische Botschaft in Kairo

Trotz Zerstörungen in der Vertretung schlägt Netanjahu versöhnliche Töne an

  • Juliane Schumacher, Kairo
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach der gewaltsamen Erstürmung ihrer Botschaft in Kairo bemüht sich die israelische Regierung um Entspannung. Israel halte weiter am Frieden mit seinem ägyptischen Nachbarn fest, versicherte Ministerpräsident Netanjahu am Samstagabend. Die ägyptische Militärregierung setzte das Notstandsgesetz wieder in Kraft.

Am Freitag hatten mehrere tausend Demonstranten eine Mauer vor der Botschaft eingerissen; eine Gruppe drang ins Gebäude ein, legte Feuer und warf Papiere aus dem Fenster. Bei anschließenden Straßenschlachten mit Polizei und Militär kamen mindestens vier Menschen ums Leben, über 1000 wurden verletzt.

Der Aktion vorausgegangen waren friedliche Kundgebungen auf dem Tahrir-Platz in Kairo und in anderen Städten. Zehntausende zumeist junge Protestierende hatten ein Ende der Militärherrschaft gefordert und einen Zeitplan für Wahlen. Am späten Nachmittag waren rund 3000 der Demonstranten zur israelischen Botschaft gezogen und bauten dort die vor der Vertretung errichtete Mauer ab. Diese Aktion war geplant und angekündigt. Unklar ist dagegen, wer die etwa 30 Personen waren, die in das Gebäude eindrangen und die Botschaft verwüsteten und warum das Militär, das in großer Anzahl vor Ort war, sie nicht stoppte.

Erst nach rund sieben Stunden griffen Polizei und Militär ein. Die folgenden Straßenschlachten dauerten bis zum frühen Morgen. Das Militär setzte Tränengas ein und schoss scharf, die Protestierenden warfen Steine und Molotowcocktails. Ein nahes Polizeiquartier wurde in Brand gesetzt, ebenso ein Teil des Zoos und der saudischen Botschaft. Am Nachmittag hatte es auch Angriffe auf das Innenministerium gegeben, bei denen im Gebäude ein Feuer ausbrach. Soldaten evakuierten sechs Israelis, die sich noch im Gebäude befanden. Noch in der Nacht flog Israel den Botschafter, seine Familie und weitere israelische Staatsbürger aus.

Premierminister Netanjahu war am Samstag um Entspannung bemüht und betonte, Israel halte am Friedensvertrag mit Ägypten fest. In einer Ansprache dankte er den ägyptischen Sicherheitskräften und kündigte an, erneut einen Botschafter zu entsenden, sobald die Sicherheitslage es zulasse. Ein Konsul bleibe an geheimem Ort vorerst im Land.

Netanjahus Vertrauter, Umweltminister Gilad Erdan, sagte am Sonntag, die israelische Regierung werde alles für die Normalisierung der beiderseitigen Beziehungen tun. Ähnlich äußerte sich Heimatschutzminister Matan Vilnai im Armeerundfunk. Er hob hervor, dass die ägyptischen Einsatzkräfte ein »Blutbad verhindert« hätten – auch wenn sie »vielleicht etwas verspätet« eingriffen. Von Ägypten gab es keine offizielle Stellungnahme. Es hatte in der Nacht jedoch Telefonate zwischen Israel und Ägypten gegeben, in die auch die USA involviert gewesen sein sollen.

Unter den jungen Protestierenden war der Angriff auf die Botschaft höchst umstritten. Während ein Teil der Akteure ihn verteidigte, lehnte ein anderer ihn heftig ab. Die islamischen Gruppen begrüßten ihn, lehnten die Angriffe auf Polizei und Militär aber ab. Die ägyptische Militärregierung führte die Vorfälle am Samstag auf die prekäre Sicherheitslage zurück und kündigte an, die öffentliche Sicherheit wiederherzustellen. Das Notstandsgesetz wird in vollem Umfang in Kraft gesetzt. Damit sind willkürliche Verhaftungen möglich, Demonstrationen nur mit Genehmigung erlaubt. Am Sonntag stürmten Regierungskräfte 16 internationale Fernsehsender, darunter Al Dschasira Ägypten und verhafteten Mitarbeiter.

Das lange erwartete Verhör von Armeechef Hussein Tantawi im Prozess gegen Ex-Präsident Hosni Mubarak am Sonntag sagte der General unter Verweis auf die Sicherheitslage ab. Es soll jetzt am 24. September stattfinden.

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