La Niña lässt Rinder verdursten

Dürre und Buschbrände könnten die Weidegebiete von Texas auf Dauer verändern

  • John Dyer, Boston
  • Lesedauer: 3 Min.
Schuld an Dürre und Bränden in Texas ist nach Expertenansicht das Wetterphänomen La Niña. Das kühlt den Pazifik ab, was im Südwesten der USA zu extremer Trockenheit und Hitze führt. In diesem Jahr wurde der Hitzerekord von 1934 gebrochen.

Bill Tullos hat auf seiner Ranch in Zentraltexas Rinder getrieben und gepflegt, seit er 16 Jahre alt ist. Heute sitzt der 88-Jährige auf der Veranda seiner Ranch, während die Dürre das Gras gelb werden lässt und Buschfeuer die Prärie rund um ihn herum zu Asche machen. 4500 Acres hat die Ranch, das sind 18 Quadratkilometer, die seine Familie seit mehr als einem Jahrhundert bewirtschaftet. »Es ist nichts mehr da«, sagt Tullos und fragt sich, ob er die Ranch nicht bald aufgeben muss.

Die schlimmste Trockenperiode in der texanischen Geschichte hat Weideland zerstört und eine Reihe von Buschbränden ausgelöst, die für die Rinderzüchter in Texas eine Katastrophe bedeuten. Nach Erhebungen der A&M-Universität in Austin, der texanischen Hauptstadt, belaufen sich die Dürre-Schäden in der Landwirtschaft des Staates bisher auf 5,2 Milliarden Dollar (3,82 Milliarden Euro).

Tullos hat seine 80 Kühe, 900 Schafe und 500 seiner 700 Ziegen verkauft, um die Kosten zu senken und wenigstens einige Einnahmen zu haben. Und Tullos ist nicht allein. Der Auktionator Benny Cox aus San Angelo sagt, er habe auf den letzten Viehversteigerungen vier Mal soviel Tiere verkauft wie normalerweise. »Eine Menge dieser Leute haben ihre gesamten Herden verkauft«, erläutert er. »So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen.«

Die Rancher in Texas liefern etwa 16 Prozent des gesamten Rindfleischs, das in den Vereinigten Staaten verbraucht wird, außerdem ein Drittel des Ziegen- und 15 Prozent des Schaf- und Lammfleisches. Schon warnen Beobachter vor Versorgungsengpässen beim Rindfleisch und explodierenden Preisen, wenn die Texas-Feuer nicht bald unter Kontrolle gebracht werden.

Die Meteorologen machen wenig Hoffnung. Nur 18,6 Zentimeter Regen sind in diesem Jahr in Texas gefallen – die geringste Menge seit 40 Jahren, wie das texanische Wetteramt mitteilt. Gleichzeitig suchte eine Hitzewelle den Staat heim, mit Durchschnittstemperaturen von 30,5 Grad Celsius von Juni bis August. Das sind die höchsten Temperaturen seit 1934.

Die extremen Wetterbedingungen sind offenbar auf das Phänomen La Niña zurückzuführen, eine kalte Meeresströmung aus dem Südpazifik, die das Wasser vor der Westküste der USA abkühlt, was wiederum extreme Trockenheit im Südwesten des Landes nach sich zieht. La Niña hat es immer gegeben, aber nicht in diesem Ausmaß.

Dass sich in der Dürre die Brände mit solchen gewaltigen Schäden rasend ausbreiten, hat auch mit der Ansiedlungspolitik zu tun. Es gibt immer weniger offenes Land, wo sich die Wildfeuer austoben könnten, ohne großen Schaden an Siedlungen anzurichten.

Mit dem Verkauf ihrer Herden haben viele Texaner eine Vorentscheidung über den traditionellen Lebensstil getroffen, meint Robert Dull von der University of Texas in Austin. »Das ist alles historisch und nur vergleichbar mit den Dust Bowl Jahren.« Dull spielt dabei auf die extrem trockenen 1930er Jahre an, als Tausende von Texanern ihr Land verließen und auf der Suche nach Arbeit und einem besseren Leben nach Kalifornien zogen. »Der psychologische Effekt wird Jahre anhalten«, glaubt Dull.

La Niña

La Niña (spanisch – das Mädchen) ist gewissermaßen das Gegenstück zu der Klimaanomalie El Niño im Pazifik. Während sich bei El Niño das Oberflächenwasser des Pazifik am Äquator überdurchschnittlich erwärmt, kühlt es bei La Niña überdurchschnittlich stark ab. Infolge dessen verstärken sich im Einzugsbereich von La Niña die jeweils typischen Klimabedingungen. In Südostasien kommt es also zu stärkeren Regenfällen und im des westlichen Amerika zwischen Kalifornien/Texas und Nordchile trocknen die bereits trockenen Gebiete noch stärker als üblich aus.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal