nd-aktuell.de / 19.09.2011 / Brandenburg / Seite 13

Anlieger laufen gegen Abzocke Sturm

Für Zündstoff sorgt geplanter Neubau des Regenwasserkanals

Barbara Staacke

Der Regenwasserkanal in der Marzahner Schönagelstraße soll im Zusammenhang mit der im März bis September kommenden Jahres geplanten Straßensanierung erneuert werden. Diese Baumaßnahme ist laut CDU-Stadtrat Christian Gräff beitragspflichtig. Und somit werden die Anlieger voraussichtlich die Zeche zahlen müssen.

Dagegen regt sich bei den Betroffenen heftiger Widerstand. Sie werfen dem Stadtrat vor, dass er mit den Tatsachen nur bruchstückweise herausgerückt und dabei das Vorhaben schon längst in Sack und Tüten sei.

In der Tat hat der Bezirk längst entschieden, wie Stefan Natz, Sprecher der Berliner Wasserbetriebe (BWB), auf Nachfrage von ND bestätigt. Das Vorhaben sei vom Bezirk in Auftrag gegeben worden. »Bei der Durchsicht des Regenwasserkanals wurden an den PVC-Rohren erhebliche Schäden, die nicht mehr reparabel sind, festgestellt«, erläutert Natz. Das Material sei so verschlissen, dass der vor 29 Jahren gebaute Kanal den heutigen Anforderungen nicht mehr entspreche und eine Erneuerung erfordere.

Die Anrainer halten dagegen, dass eine Verkehrsanlage bereits vorhanden und somit von einer nicht kostenpflichtigen Erhaltungsmaßnahme auszugehen sei, zumal die auf 50 Jahre nach dem Straßenausbaubeitragsgesetz gemäß AV § 2 Abs. 3 und 4 festgelegte Nutzungsdauer noch nicht abgelaufen sei. Zudem sind sie der Ansicht, dass die Gesetzesauslegung zu ihren Ungunsten manipuliert worden sei, indem der schadhafte Teil des Kanals vom Tiefbauamt willkürlich verlängert wurde.

Demnach misst die tatsächliche Strecke nur 175 Meter und liegt damit unter dem Limit. Erst ab 200 Meter sind die Kosten auf die Anlieger umlegbar. Doch aufgrund der seit Juli vergangenen Jahres mit geändertem Gesetz möglichen Abschnittsbildung wurde der Bereich auf 385 Meter bis zur Kreuzung Raoul-Wallenberg-Straße erweitert. »Offenkundig wurde hier die Gelegenheit ergriffen, uns die Kosten aufzubürden, um die Haushaltskasse des Landes zu schonen«, ärgert sich Anwohnerin Ingeborg Teetz.

Der Tiefbaustadtrat setzt dagegen: »Wir haben aufgrund der Pläne der BWB entschieden. Uns bleibt da kaum Spielraum«, so zu ND. Zwar hat die Fraktion der Linken in der Bezirksverordnetenversammlung Marzahn-Hellersdorf einen Antrag eingebracht, das Vorhaben vorerst zu stoppen. Doch nach gegenwärtiger Rechtslage hat das Bezirksparlament kaum ein Mitspracherecht. Es sei denn, das Gesetz wird geändert, indem der Bürgerwille mehr berücksichtigt wird. Somit ist für reichlich politischen Zündstoff gesorgt, zumal die LINKE, Gesetzgeber seinerzeit, Fehler einräumt.

»Diese Möglichkeiten des Missbrauchs konnten wir nicht abwägen«, erklärt Abgeordneter Wolfgang Brauer und spricht von Freibeuterei. Denn mit den gepfefferten Wasserpreisen würden auch die Rücklagen kassiert, die für die Instandhaltung erforderlich seien. Deshalb wundere es ihn, weshalb sich der Bezirk darauf einlasse. Das Beispiel »Schönagelstraße« zeige, wohin die Richtung gehe.

Um die vertrackte Situation zu entschärfen, will Christian Gräff nun einen unabhängigen Gutachter beauftragen. Dieser solle prüfen, ob die BWB ihrer Wartungspflicht nachgekommen seien. Sollten Versäumnisse nachgewiesen werden, wären die Anlieger von den Kosten befreit. Anderenfalls wird es vermutlich auf einen Rechtsstreit hinauslaufen, mit dem sich dann das Gericht beschäftigen muss.