Ein 50-Euro-Gutschein und seine Folgen

Vorsitzende des Hauptpersonalrates wegen Vorteilsnahme verurteilt

  • Lesedauer: 2 Min.

Das Amtsgericht Tiergarten begab sich gestern auf die Spur eines 50-Euro-Gutscheines der Marke Douglas. Abgeschickt wurde er von einer Büroartikel-Firma in Essen im Oktober 2008, eingelöst am 3. Januar 2009 in einem Einkaufszentrum am Bahnhof Köpenick. Was dazwischen liegt, blieb im Dunkeln. Empfängerin des Gutscheins soll die damalige Leiterin der Zentralbibliothek von Marzahn-Hellersdorf, Benita H.,gewesen sein. Hätte sie ihn angenommen, so wäre das bei der Mitarbeiterin des öffentlichen Dienstes Bestechung im Amt gewesen. Die 47-Jährige ist seit 2009 Vorsitzende des Hauptpersonalrates des Landes Berlin und vertritt 58 000 Angestellte und rund 73 000 Beamte. Somit steht sie im besonderen Interesse der Öffentlichkeit.

Als damalige Bibliothekschefin soll sie 2008 so genannte Laminiertaschen beim Büromaterial-Hersteller bestellt haben. Der dortige Vertriebsmensch soll sie dann mit dem Gutschein geködert haben, mehr von diesen Taschen einzukaufen. Was dann auch geschehen ist. Zehn Zeugen waren aufgeboten, um den Fall zu klären. Benita H. machte von ihrem Schweigerecht Gebrauch.

Der Vertreter von Büromaterial schilderte, dass es 2008 für Stammkunden eine Geschenkaktion von Gutscheinen gegeben habe, wenn sie die vollen Packungen des Materials abnehmen würden. Stammkunde war das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf in Gestalt von Benita H. Dass er sich damit der Bestechung schuldig gemacht haben könnte, war für ihn völlig undenkbar. Eine weitere Zeugin, die damals in der Poststelle des Bezirksamtes arbeitete, erinnerte sich genau an den Brief mit dem Gutschein, den sie an ihre Vorgesetzte weitergab. Dann taucht das 50 Euro schwere Papier unter. Wer ihn dann tatsächlich genommen, wer den Gutschein eingelöst hat, bleibt im Nebel.

Doch für die Richterin war klar, dass sich Benita H. der Vorteilsnahme schuldig gemacht hat. Sie verurteilte die Hauptpersonalratsvorsitzende zu einer Geldstrafe von 5400 Euro. Wäre sie wegen Bestechlichkeit verurteilt worden - die Mindeststrafe liegt bei sechs Monaten Gefängnis - so wäre das wohl ihr berufliches Aus gewesen.

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