»Maskenmann« vor Gericht

Martin N. soll mindestens drei Jungen getötet und zahlreiche missbraucht haben

  • Irena Güttel, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen wird am Montag vor dem Landgericht Stade der Prozess gegen den mutmaßlichen Kinderschänder Martin N. beginnen. Er soll drei Jungen getötet und zahlreiche missbraucht haben.

Und auf sein Konto könnten noch mehr Fälle gehen. Der »Maskenmann« kam nachts. Er schlich sich in Kinderzimmer, Schullandheime, Zeltlager und vergriff sich an schlafenden Jungen. Einige von ihnen entführte und tötete er. Zwei Jahrzehnte suchte die Polizei nach dem Täter. Im April bekam das Phantom schließlich ein Gesicht. Von Anfang der 90er Jahre bis 2001 schlug das Phantom zu. Drei Morde und rund 40 Missbrauchsfälle hat der 40-jährige gebürtige Bremer gestanden. Die Ermittler sind sicher: 1992 entführt er den 13-jährigen Stefan aus einem Internat in Scheeßel (Kreis Rotenburg) und bringt ihn um. Sein nächstes Opfer, den achtjährigen Dennis R., holt er 1995 nachts aus einem Zeltlager bei Schleswig. 2001 dringt er in ein Schullandheim nahe Bremerhaven ein und tötet den neunjährigen Dennis K.

Dass es sich um einen Serientäter handelt, wird den Ermittlern erst nach dem Tod des kleinen Dennis aus Osterholz-Scharmbeck 2001 klar. Sie gründen eine Sonderkommission. Tausenden Hinweisen geht diese im Laufe der Jahre nach, ohne Erfolg. Denn der Pädagoge Martin N. führt ein Doppelleben. Auf Nachbarn und Bekannte wirkt er freundlich, intelligent und zurückhaltend. Er arbeitet als Betreuer auf Freizeiten und in Heimen, kümmert sich sogar vier Jahre lang um ein Pflegekind.

»Er lebte die meiste Zeit allein. Deshalb unterlag er nicht wirklich einer sozialen Kontrolle«, so Soko-Sprecher Jürgen Menzel. So gerät der inzwischen in Hamburg lebende Pädagoge erstmals ins Visier der Fahnder, als sie rund 1000 Männer aus Norddeutschland aus der Sexualstraftäterdatei überprüfen. Martin N. war inzwischen aktenkundig, weil er zwei Jungen am Bauch gestreichelt haben soll.

Nach einem Verhör lässt die Soko ihn laufen. »Er hat uns belogen, aber das konnten wir ihm mit dem Stand von damals nicht nachweisen«, so Menzel. Bis sich im Februar ein früheres Opfer meldet. Der Mann erinnert sich, dass ihn vor Jahren ein Betreuer auf einer Ferienfreizeit ausgefragt hatte, wie sein Zuhause aussehe. Kurz darauf stand nachts ein großer »schwarzer Mann« - der Täter tarnte sich bei seinen scheußlichen Verbrechen mit einer dunklen Maske - neben seinem Bett. Der Mann weiß noch den Namen des früheren Betreuers: Martin. »So zog sich die Schlinge immer weiter zu«, sagt Staatsanwalt Kai Thomas Breas. Die Soko findet heraus, dass Martin N. 1995 ein Ferienhaus nahe des Ortes gemietet hatte, wo ein Jogger später die Leiche von Dennis R. entdeckte.

Viele der von Martin N. gestandenen Verbrechen sind verjährt. Die Staatsanwaltschaft konnte ihn nur noch wegen 20 Missbrauchsfällen anklagen. Gleichwohl droht dem mutmaßlichen Kinderschänder und mutmaßlichen Mörder die Höchststrafe - lebenslange Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung. Trotzdem sind die Akten für die Soko »Dennis« noch lange nicht geschlossen. Die Fahnder sind sich sicher, dass weitere Morde auf das Konto von Martin N. gehen: an dem elfjährigen Nicky, der 1998 in den Niederlanden aus einem Zeltlager verschwand und an dem zehnjährigen Jonathan, der 2004 in Frankreich aus einem Schullandheim entführt wurde. »Es gibt frappierende Ähnlichkeiten zwischen den Fällen«, sagt Menzel. Doch beweisen kann die Polizei das Martin N. bislang nicht.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal