Die Angst vor dem Hochwasser

Flutwelle wälzt sich auf die thailändische Hauptstadt Bangkok zu

  • Michael Lenz, Bangkok
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Mittwochabend setzt in Bangkok wieder Regen ein. Das lässt nichts Gutes ahnen. Schon jetzt steht der Wasserpegel des Chao Phraya Fluss ziemlich hoch. Einige Randbezirke der thailändischen Hauptstadt sind bereits überflutet. Schlimmer sieht es zwischen Chiang Mai im Norden und Ayutthaya in der Mitte Thailands aus. Schwere Regenfälle haben die Flüsse über die Ufer treten lassen. Mehr als 250 Menschen sind bereits in den Fluten gestorben, während sich viele Tausende in Notunterunterkünfte flüchten mussten. Die betroffenen Regionen sind bereits zu Notstandsgebieten erklärte worden.

In Ayutthaya, der von Bangkok nur 70 Kilometer flussaufwärts gelegenen alten Hauptstadt des ehemaligen Königreichs Siam, sind bereits viele der prachtvollen Ruinen der Tempel, Paläste und Festungsanlagen aus dem 14. Jahrhundert in den Fluten versunken. Mehr als zwei Meter hoch steht dort das Wasser schon und richtet an den historischen Bauten unermessliche Schäden an. Immens sind auch die Probleme für die Menschen in den betroffenen Provinzen. Über 300 Kliniken stehen Medienberichten zufolge unter Wasser. Mehr als 400 000 Menschen leiden durch die Überflutungen an Krankheiten wie Erkältungen und benötigen dringend medizinische Versorgung. Hilfsorganisationen und Armeeeinheiten sind rund um die Uhr im Einsatz, um die Flutopfer mit Hilfsgütern, Medikamenten und sauberem Trinkwasser zu versorgen.

Der Regen hat auch die Wassermengen in Staudämmen zur Wasserversorgung steigen lassen. Die Pegelstände der Dämme haben ein bedrohliches Maximum erreicht und die Behörden gezwungen, Wasser abzulassen. Der Bhumipol Damm in Tak wird in den nächsten Tagen zusätzliche 100 Millionen Kubikmeter Wasser pro Tag ablassen müssen, der Sirikit Damm in Uttaradit 60 Millionen. Folge: noch mehr Hochwasser.

Jetzt wälzt sich die Flutwelle den Chao Phraya Fluss hinunter auf Bangkok zu, bevor sich die Wassermassen in den nahen Golf von Siam ergießen. Bangkoks Stadtregierung will Schleusen der Klongs in der Stadt, den Kanälen im Delta sowie den riesigen unterirdischer Wassertunnel zwischen der wichtigen Verkehrsader Rama 9 Straße und dem Stadtteil Ramkamhaeng öffnen. Die vier Millionen Kubikmeter Wasser, die so pro Tag zusätzlich ins Meer geleitet sollen, könnten das Schlimmste für Bangkok vermeiden und den Druck auf die nördlichen Provinzen mildern, so die Hoffnung. Leidtragende werden die Reisbauern im Delta sein, denen der steigende Meeresspiegel als Folge der globalen Erwärmung schon genug Probleme bereitet.

Die Flutkatastrophe hat aber auch eine immense politische Dimension. Als seien die Versöhnung der politisch tief gespaltenen thailändischen Gesellschaft sowie die Umsetzung zentraler Wahlversprechen wie Mindestlohnerhöhung oder Einkommensverbesserung der Reisbauern durch einen garantierten Preis für Reis weit über Weltmarktniveau nicht schon Herkulesaufgaben, muss sich die neue Premierministerin Yinluck Shinawatra jetzt zusätzlich als Krisenmanagerin bewähren. Dabei ist die politisch unerfahrene Schwester des gestürzten Thaksin Shinawatra noch keine 100 Tage im Amt. Vielleicht sollte Yinluck zwischen zwei Sitzungen des Krisenstabs bei Gerhard Schröder anrufen. Der Altkanzler hat reichlich Erfahrung darin, wie man aus einer Flutkatastrophe politisches Kapital schlägt.

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