nd-aktuell.de / 11.10.2011 / Kultur / Seite 30

»Meine Frau, die Ilsebill«

UWE JOHNSON: Ein Märchen nach Philipp Otto Runge

Jenny Becker

Goldgelb ist der Himmel, als der Fischer das erste Mal über das Meer ruft: »Meine Frau, die Ilsebill, will nicht so, wie ich es will.« Der Plattfisch, den er zuvor freigelassen hat, weil er beteuerte, ein verwunschener Prinz zu sein, äugt verwundert aus dem grünen Meer. Dann erfüllt er den Wunsch der Fischersfrau. Die will nicht länger in einem stinkenden Eimer wohnen, sondern in einer richtigen Hütte.

Den Farben wird viel Raum gelassen in diesem Märchenbuch, das die bekannte Geschichte »Von dem Fischer und seiner Frau« erzählt. Das Himmelsgelb, das sich über zwei Seiten zieht, ist so intensiv, dass man es in den Augen spürt. Mit dicken Pinselstrichen zeichnet die Illustratorin auf den Doppelseiten farbige Stimmungsbilder. Immer brodelnder und aufgewühlter wird die See, je mehr in Ilsebill die Habgier wächst.

Denn mit der Hütte gibt sie sich nicht zufrieden. Ihr Mann muss zurück auf den Bootssteg und den Plattfisch rufen. Sie will in einem Schloss wohnen. Doch auch das reicht nicht. Sie will König werden. Dann Kaiser. Als der Fischer wieder am Ufer steht und ruft »Großer Plattfisch, dort im Meer! Bitte, schwimme zu mir her!« ist das Seelenmeer von intensivem Violett. Wäre er nicht mit schwarzen Kohlestrichen umrandet – der Fischer verlöre sich im orange verfärbten Himmel.

Dass den Veränderungen des Meeres und dem Aufbäumen der Natur auch im Original des Romantikers Philipp Otto Runge (1777-1810) Bedeutung zukommt, kann man am Ende des Buches direkt nachlesen. Auf den letzten Seiten ist der Text auf Plattdeutsch abgedruckt. So lässt sich feststellen, wie nah die Übersetzung des Schriftstellers Uwe Johnson an der Ursprungsversion geblieben ist – sehr nah.

»Na, was will sie denn?«, fragt der Plattfisch den verzweifelten Fischer, nachdem dessen Frau schon Papst geworden war. »Ach, sie will werden wie der liebe Gott.« Natürlich kann das nicht gut gehen in diesem Lehrstück über die Gier und ihre Folgen. Am Ende sind der Fischer und seine Frau wieder im Eimer. »Darin sitzen sie noch heute, bis auf diesen Tag.«

Von dem Fischer und seiner Frau. Ein Märchen von Philipp Otto Runge, nacherzählt von Uwe Johnson. Hinstorff. 40 S., geb., 14,95 €