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Zwei Beine, zwei Welten

Sascha Bunges Inszenierung »Der goldene Topf« an der Parkaue

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 3 Min.

Das schöne Stück ist eine Begegnung junger Menschen mit dem sogenannten Kopftheater. Alles von dem, was auf der Bühne geschieht, ist das, was es scheint und auch wieder nicht. Sascha Bunges Fassung »Der goldene Topf. Ein Märchen aus der neuen Zeit« nach »Der goldne Topf« von Ernst Theodor Amadeus Hoffmann von 1814 ist dem ursprünglichen Märchen nah.

Das Werk gilt als romantische Novelle. Bunge inszenierte es im Theater an der Parkaue für Jugendliche ab 16 Jahren. Unabdingbar allerdings ist, dass sie E.T.A. Hoffmanns literarische Fassung kennen. Ansonsten bleibt für sie in den 150 Minuten des Stücks vieles unverständlich. Der Autor selbst weist in dem Märchen darauf hin, dass er des Nachts am Schreiben war und das Dunkel auf sich wirken ließ. So wirkt die Geschichte in der Tat gespenstisch wie ein wilder Traum.

An einem Himmelfahrtstag in Dresden findet das Publikum den Studenten Anselmus vor. Er begreift sich selbst als Pechvogel, badet etwas im Selbstmitleid. Will er jemanden mit dem Hut grüßen, fliege seine Kopfbedeckung dabei prompt um die nächste Ecke. Sein Butterbrot falle immer auf die fettige Seite... Gut spielt Andrej von Sallwitz, wie der ratlose junge Mann von den folgenden Vorgängen geschüttelt wird, nachdem er bei einem Schläfchen unter einem Holunderbaum seltsame Eingebungen hatte. Mit einem Bein im realen Leben, mit dem anderen in der Poesie stolpert er fortan durchs Leben. Verliebt in ein kleinbürgerliches Mädchen, gelockt durch ein anderes wundersames weibliches Wesen bringt er schließlich alles durcheinander. So bleibt er Schreiber beim Archivarius und macht nicht Karriere als Hofrat, wie es für ihn gedacht war. Letztlich gibt er sich dem Fantastischen hin.

Bunge trennt Realität und Poesie zunächst scharf. Wenn es jedoch angebracht ist, lässt er sie ineinander fließen, damit die vom Autor beabsichtigte Verwirrung perfekt ist. Der goldene Topf, als Sinnbild dafür, dass im bürgerlichen Leben alles gut arrangiert möglichst problemlos vonstatten gehen möge, wird in seiner Inszenierung letztlich zum goldfarbenen Urinal, auf das jeder pinkeln kann.

Denn die Kleinbürgerfamilie des Korrektors Paulmann (Stefan Kowalski) ist der Oberflächlichkeit zugeneigt, wendet schnell ihren Sinn, wenn sie etwas nicht versteht oder die Sache unbequem wird. Erst hängt sie dem vermeintlich künftigen Hofrat Anselmus Tochter Veronika (Franziska Krol) an den Hals. Als es mit dem beruflichen Fortkommen des Studenten nichts wird, ist plötzlich bei Veronika die große Liebe zum Registrator Heerbrand (Niels Heuser) schon immer da gewesen. Denn der wird nun Hofrat. Der Regisseur lässt in dem Stück einige Volkslieder trällern. Er wertet sie damit nicht ab, zeigt jedoch, wie das Kleinbürgertum sie benutzt, um sich seine Welt schön zu gucken.

Wieder ab 17.10., Theater an der Parkaue, Parkaue 29, Lichtenberg, Tel.: 55 77 51 53, www.parkaue.de

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