nd-aktuell.de / 15.10.2011 / Kultur / Seite 32

Welt, ver-rückt

Zwölf großformatige Bilder hat der Kalender »Augenblicke Edition 2012« von Quint Buchholz, erschienen im KV&H- Verlag Unterhaching (36 Euro). Das abgebildete Blatt ist dem April zugedacht
Zwölf großformatige Bilder hat der Kalender »Augenblicke Edition 2012« von Quint Buchholz, erschienen im KV&H- Verlag Unterhaching (36 Euro). Das abgebildete Blatt ist dem April zugedacht

Wer genau sagen und selbstsicher beschreiben kann, was auf den Bildern von Quint Buchholz zu sehen ist, der darf getrost über sich erschrecken. Denn mitunter ist die Gewissheit, etwas gesehen und erkannt zu haben, genau die Falle, in die man fällt - und zwar sehr, sehr lange, bevor man bei der Wahrheit eintrifft.

In den Bilderwelten von Buchholz gibt es gar kein Eintreffen. Und auch keine Wahrheit. Es gibt nur ein Farbenleuchten hinein ins Innere der Welt, das geheimnisvoll, unauslotbar bleibt. Weil fortwährend Menschen auftauchen, die auf merkwürdig schöne oder traurige Weise einen Sinn suchen. Buchholz-Bilder sind Theaterstücke im Bühnenbild grenzenloser Fantasie. Die Ruhe, die waltet, ist sanft eingefrostete Bewegung. Der Stillstand ist ein leiser Durchgangsmoment in einem Tosen aus purer Heimatlosigkeit. Ein Haus spendet sein Fenster dem Mond, der vielleicht nach Fassung ringt. Und was ist dieser Mond? Sehnsucht, die sich eine Frau wie ein Haustier hält - an langer Leine Freilauf übers Himmelsfeld.

Buchholz, 1957 im Rheinland geboren, ist der weltberühmte Deutsche unter den malenden Surrealisten. Seine Bilderbücher, Plakate, Buchumschläge und Postkarten erzählen ver-rückte Welt. Eine Welt, die aller Ordnung gekündigt hat, auch der Schwerkraft und der Logik. Alle stehen nun auf der Straße oder auf der Wiese oder im Wasser oder sie suchen nach Netz und doppeltem Boden - zwischen Wolken.

Fortwärts, die fünfte Himmelsrichtung. Die Menschen blicken auf, wenn sie versunken sind. Sie schauen zu Boden, wenn sie einen Horizont suchen. Sie wissen nicht, ob sie die Liebe vor oder hinter sich haben. Kopffüßler, die endlich verstehen wollen, was nur den Pflanzen anvertraut ist oder den Fischen. Und als schrieben sie alle am gleichen Geständnis: Ich vermiss mich so.

Hans-Dieter Schütt