Der Streit um das gute Leben geht weiter

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Riss ist gekittet, der Grundkonflikt bleibt. Boliviens Präsident Evo Morales hat ein Machtwort gesprochen und damit den Rücken der Ureinwohner gestärkt, die den Bau einer Überlandstraße durch das Indigene Territorium Nationalpark Isiboro Sécure (TIPNIS) unbedingt verhindern wollten, um dort weiter geschützt vor allzu viel kapitalistischer Moderne ihre traditionelle Lebensweise pflegen zu können.

Weder in Bolivien noch in Ecuador sind sich Regierung, das Volk und auch nicht die Indigenen einig, wohin die Reise en détail gehen soll: Jenseits der allseits akzeptierten indigenen Weltsicht des »Vivir bien« (Guten Lebens) und der Wertschätzung der Pacha Mama (Mutter Erde) ist in der politischen Praxis nach wie umstritten, wie viel kapitalistische Inwertsetzung und wie viel ressourcenschonendes Wirtschaften den Mix der bolivianischen oder ecuadorianischen Ökonomie künftig ausmachen sollen.

Der enorme Druck einer sozialen Schuld, die in den verlorenen neoliberalen Jahrzehnten der 80er und 90er Jahre nochmals eklatant angewachsen ist, lastet auf allen lateinamerikanischen Linksregierungen. Trotz deutlicher Verbesserungen seit der Linkswende leben in Lateinamerika und der Karibik noch immer 180 Millionen Menschen von weniger als einem Dollar pro Tag! Dass sich die soziale und ökologische Frage in der derzeit hegemonialen kapitalistischen Produktionsweise nicht interessenharmonisch auflösen lässt, ist eine Binsenweisheit. Und der Weg in eine andere, noch exakt zu definierende und zu entwickelnde Produktionsweise, in der diese Fragen ausgesöhnt werden können, ist steinig, konfliktreich und weit. Es ist ein Verdienst Boliviens und Ecuadors, diese Diskussion direkter zu führen als es im Norden der Fall ist, wo Green-New-Deal-Illusionen gepflegt werden. Dabei wäre es Aufgabe der Zentren, voranzugehen - sie haben mehr Mittel und mehr historische Verantwortung.

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