Die Welt braucht eine nachhaltige Lösung

Experten fordern Wandel in Produktion und Konsumtion, um den Druck auf die knappen Ressourcen zu mildern

Statistisch gesehen kommen in jeder Sekunde 2,6 neue Erdenbürger auf der Welt hinzu. Die Menschheit wächst und wächst und wächst. Ob Nahrung, Wasser oder Energie - überall drohen Engpässe. Experten haben schon Lösungsansätze entwickelt.

Mehr als sieben Milliarden leben bald auf der Erde - ein Ende des Wachstums ist nicht in Sicht. Und egal ob in Europa, Amerika oder Asien, die Menschen haben Bedürfnisse: Sie wollen essen und trinken, viele von ihnen brauchen eine Heizung, manche kaufen sich ein Auto oder irgendeines der anderen Millionen Dinge, die auf dieser Welt zu haben sind.

Bis zum Jahr 2100 könnten laut UN über zehn Milliarden Menschen auf der Welt leben. Das Wachstum findet dabei vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern wie China, Indien oder Nigeria statt. Dort soll nach Angaben der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung allein in den nächsten 40 Jahren die Bevölkerung von 5,7 auf fast acht Milliarden Menschen wachsen. Gleich drei Erden benötigten die Menschen im Jahr 2050, um ihren Bedarf zu decken, wenn sich die Gewohnheiten nicht änderten, heißt es bei der Umweltorganisation WWF.

Dazu kommt das Problem mit dem Wasser. »In fast allen Regionen, wo wir Wasserarmut haben, gibt es regionale Konflikte«, sagt Max Schön, Präsident der Deutschen Gesellschaft Club of Rome. Der Streit ums Wasser könnte weiter zunehmen, glaubt Schön. Um das zu verhindern, müsse schonender mit der Ressource umgegangen werden, etwa indem exzessiver Landbau in wasserarmen Regionen eingedämmt wird.

Wichtig ist laut Schön aber auch, dass Unternehmen umdenken. Sie müssten die Wege ihrer Produkte genau überprüfen, um nachhaltiges Wirtschaften zum Beispiel durch Zusammenarbeit mit wasser- und CO2-sparenden Lieferanten zu fördern. »Es ist wichtig, dass Unternehmen Initiativen ergreifen, die andere zum Nachahmen anregen«, sagt Schön.

Nachhaltige Nutzung und Wiederverwertung könnten auch bei der Rohstofffrage zu den Schlüsselwörtern der Zukunft gehören. »Geologisch gesehen gibt es ausreichend mineralische Rohstoffe, einschließlich der Metalle«, sagt Volker Steinbach, Leiter der Deutschen Rohstoffagentur in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe mit Sitz in Hannover. Knappheit gebe es aus politischen oder markttechnischen Gründen. Und die ließen sich überwinden: »Wir müssen uns mit der Erschließung neuer Lagerstätten, Recycling, Ressourceneffizienz und Substitution intensiv beschäftigen.«

Beim Öl ist die Lage anders. Verschiedene Experten rechnen mit einem weltweiten Produktionsrückgang ab etwa 2030. Darin sieht Steinbach eine große Herausforderung, gerade mit Blick auf die Erkundung neuer Lagerstätten und die Entwicklung neuer Technologien. Der Geologe betont, dass die Menschen nicht auf den Rohstoff selbst angewiesen sind, sondern auf seine Funktion. »Wir brauchen nicht das Erdöl, sondern wir wollen von A nach B transportiert werden oder ein warmes Zimmer haben.« Das könne man auch anders erreichen, beispielsweise durch verstärkten Einsatz von Erdgas und erneuerbaren Energien sowie durch eine gesteigerte Energieeffizienz.

Die relative Überbevölkerung in weiten Teilen der Dritten Welt betrifft nach Ansicht des Wissenschaftlers Joel Cohen auch die entwickelten Länder bis hin zu den USA und Deutschland. »Das Problem ist ganz nah. Wir spüren es jetzt schon und wir werden es noch viel stärker spüren, wenn sich der Westen nicht stärker engagiert«, sagte der Professor der New Yorker Rockefeller-Universität gegenüber dpa in New York.

»Im Jahr 1950 lebten in Europa dreimal so viele Menschen wie in Afrika unterhalb der Sahara. Heute sind es dort schon 16 Prozent mehr und 2100 werden es fünfmal so viele wie in Europa sein. Der Migrationsdruck ist enorm und wird immer stärker.« Die jetzt sieben und künftig womöglich neun oder zehn Milliarden Menschen seien zudem ein Umweltproblem: »Abgase verteilen sich auf der Nordhalbkugel innerhalb von sechs Tagen. Dann ist es egal, ob das Auto in Manhattan oder in Peking fuhr, es hat unser aller Luft verschmutzt.«

Nach Cohens Worten könne die Erde auch »neun, zehn, elf Milliarden Menschen« ernähren. »Das Getreide ist da, schon heute. Aber nur 46 Prozent wird gegessen. 34 Prozent wird an Tiere verfüttert, der Rest ist Biosprit und Schmierstoff.« Eine Milliarde Menschen leide ständig Hunger. »Kein Wunder, wenn wir mehr als die Hälfte unserer Nahrungsmittel lieber an Vieh und Maschinen als an Menschen verfüttern.«

Dass Armut Bevölkerungswachstum produziert und nicht umgekehrt, zeigt ein Beispiel aus dem afrikanischen Liberia: In dem einfachen Geburtsbett in der Klinik im liberischen Montserrado lächelt die 32-jährige Beth Coope, erleichtert, nachdem der kleine Yenti seinen ersten Schrei gemacht hat. Ihre letzten zwei Babys starben bei der Geburt. Ihr jüngster Sohn lebt, aber Yentis Zukunft in Afrikas überfüllten Städten ist unsicher.

Für Frauen wie Beth Cooper gibt es keine Alternative zur Großfamilie. »Wer soll auf unserem Bauernhof arbeiten, wenn ich keine große Familie habe?« fragt sie. »Ich verdiene nicht viel, deshalb brauche ich Kinder, die mir helfen, wenn ich alt bin.« Eine große Kinderschar gilt als Versicherung gegen Armut. Eine afrikanische Frau bringt heute durchschnittlich 4,7 Kinder zur Welt. Im europäischen Durchschnitt sind es lediglich 1,6 Kinder.

Solange dem Süden soziale Entwicklung durch eine unfaire Weltwirtschaftsordnung verwehrt bleibt, wird die Bevölkerung dort wachsen. Ein Bruchteil der 1,6 Billionen US-Dollar, die laut dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI 2010 für Rüstung ausgegeben wurden, würden reichen, um ländliche Entwicklung im Süden hinreichend zu fördern, denn nach wie vor leben 80 Prozent der Armen auf dem Lande.
Mit Agenturen


Megastädte

Lebte 1950 knapp ein Drittel der Weltbevölkerung in Städten, ist es heute die Hälfte. Nach UN-Schätzung wird der Anteil bis 2050 auf 69 Prozent steigen. Und während sich 1975 nur in New York, Tokio und Mexiko-Stadt mehr als zehn Millionen Menschen drängten, lag die Zahl dieser Megacities 2009 bereits bei 21. Bisher nicht zu den weltgrößten Ballungszentren gehören die acht am schnellsten wachsenden Städte (Berechnung ab 1990, relatives Wachstum und Einwohnerzahl):

Shenzhen (China) 20,8 Prozent auf 7 009 000 (2000)
Nakuru (Kenia) 13,3 Prozent auf 1 571 000 (2006)
Donguan (China) 13,1 Prozent auf 6 446 000 (2000)
Chongqing (China) 11,3 Prozent auf 9 692 000 (2000)
Karadsch (Iran) 8,0 Prozent auf 1 386 000 (2006)
Dire Dawa (Äthiopien) 7,8 Prozent auf 237 000 (2002)
Guanzhou (China) 7,7 Prozent auf 8 524 000 (2000)
Puente Alto (Chile) 7,5 Prozent auf 689 000 (2009)

(dpa/nd)

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