Enteignungen am Groß Glienicker See

Potsdam will freien Uferweg - Stadtparlament stimmt für Start des Verfahrens

Die Sozialisten wollen unbedingt enteignen, das sei ja klar, die kennen das von früher - solche Vorwürfe muss sich Potsdams Linksfraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg manchmal anhören. Er bleibt dann ganz ruhig und verweist auf das Grundgesetz und die Landesverfassung. Die Enteignung sei ein »legitimes Mittel« zur Durchsetzung der Interessen der Allgemeinheit.

Am Mittwochabend ermächtigte die Stadtverordnetenversammlung den Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), beim brandenburgischen Innenministerium Enteignungen am Groß Glienicker See zu beantragen. Die Stadtverwaltung bemüht sich um einen öffentlichen Uferweg an diesem See. Anlieger haben den ehemaligen Postenweg der DDR-Grenzsoldaten gegenüber von Westberlin jedoch abgesperrt. Die Stadtverwaltung wollte ihnen einen Streifen Land am Ufer abkaufen. Doch lediglich eine einzige Grundstückseigentümerin ging auf dieses Angebot ein.

Die übrigen 26 Eigentümer reagierten entweder überhaupt nicht, oder sie verlangten Zugeständnisse, die man wegen des Natur- und Landschaftsschutzes nicht machen durfte, wie der Rechtsbeigeordnete Burkhard Exner erläuterte. Selbst die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die über Land am Seeufer verfügt, wollte kein Gelände an die Stadt abtreten, weil private Interessenten mehr Geld geboten haben, berichtete Exner.

Oberbürgermeister Jakobs erklärte, man habe in den vergangenen Jahren viel unternommen, um einvernehmliche Lösungen zu finden und man sei weiterhin daran interessiert. Doch nun seien zum Wohle der Allgemeinheit als letztes Mittel Enteignungen erforderlich.

Dass es nicht anders geht, war Linksfraktionschef Scharfenberg nach eigenem Bekunden schon lange klar. Die Lage habe sich zugespitzt. Da sei abzusehen gewesen, dass die Eigentümer nicht einlenken. Sie haben aber noch die Möglichkeit, sich zu besinnen, weiß der Kommunalpolitiker und Landtagsabgeordnete. So ein Enteignungsverfahren könne sich über zwei Jahre hinziehen. Zum Verfahren gehörten beispielsweise auch Anhörungen. Jederzeit hätten die Anrainer noch die Gelegenheit, einem Vergleich zuzustimmen. Finanziell würden sie dann eventuell sogar besser wegkommen, bestätigte Scharfenberg gestern. Bei einer Enteignung würde es Entschädigungen zum Verkehrswert des Geländes geben.

Die Stadt benötigt für einen durchgängigen Uferweg einen vier Meter breiten Streifen, insgesamt 5900 Quadratmeter. Die jetzigen Besitzer sollen gezwungen werden, die vier Meter abzugeben. Die Stadtverwaltung schätzt, dass sie insgesamt rund zwei Millionen Euro Entschädigung zahlen muss. Außerdem rechnet sie damit, dass es zirka 2,7 Millionen Euro kosten wird, den Uferweg anzulegen. Auf einem Areal, das der Stadt schon gehört, haben Nachbarn den alten Weg zerstört. Die Stadtverwaltung musste machtlos zusehen, weil ihr Areal von privatem Gelände eingeklemmt ist.

Wann die Bauarbeiten beginnen können, steht in den Sternen. Nach einer positiven Entscheidung im Innenministerium könnten die Anrainer noch vor das Verwaltungsgericht ziehen und gegen die Enteignung klagen. Berufungsverhandlungen sind denkbar. Die Prozesse könnten sich hinziehen.

Für Scharfenberg zählt jedoch erst einmal, dass die Enteignungen angeschoben wurden. Hätte das Stadtparlament dies nicht getan, wäre der Traum von einem freien Ufer aus, ist sich der Politiker sicher.

Für die Enteignungsverfahren stimmten am Mittwochabend Stadtverordnete aus allen Fraktionen. Es gab ganz wenige Gegenstimmen. Die Linksfraktion votierte geschlossen für Enteignungen und sogar in der CDU-Fraktion gab es nach Wahrnehmung Scharfenbergs eine Mehrheit dafür. Scharfenberg glaubt, dass die Stadt »gute Chancen« hat, sich im Streit mit den Seeanrainern durchzusetzen.

Auch am Ufer des Griebnitzsees möchte Potsdam den von Anwohnern gesperrten alten Postenweg der DDR-Grenztruppen wieder frei bekommen. Hier dauert es aber noch, bis Enteignungsverfahren eingeleitet werden können. Es fehlt - im Gegensatz zum Groß Glienicker See - ein gültiger Bebauungsplan. Ein neuer Entwurf soll in vier Wochen vorliegen.

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