Doppelbrechung hilft sehen

Studie: »Sonnenstein« der Wikinger keine Legende

  • Lesedauer: 2 Min.

London (AFP/nd). Der sagenumwobene »Sonnenstein«, der die Wikinger selbst unter schwierigen Wetterverhältnissen sicher über die Meere geführt haben soll, ist vermutlich mehr als nur eine Legende. Einer im Fachblatt »Proceedings A« der britischen Royal Society veröffentlichten Studie zufolge nutzten die legendären Seefahrer vermutlich sogenanntes Kalkspat, um die genaue Position der Sonne auszumachen und sich daran zu orientieren. Ein solcher Stein, auch Kalzit genannt, war kürzlich in einem vor der britischen Insel Anderley geborgenen Schiffswrack aus dem 16. Jahrhundert gefunden worden.

Bekannt ist, dass die Wikinger mit ihren Schiffen Tausende von Kilometern in Richtung Island und Grönland zurücklegten und vermutlich lange vor Christoph Kolumbus in Amerika landeten. Doch ihre Fähigkeit, selbst unter sehr ungünstigen Umständen - etwa in der Polarnacht oder bei Schneesturm - ohne Kompass so lange Entfernungen zurückzulegen, gab Forschern bisher ein Rätsel auf. Ein Team von französischen, kanadischen und US-Forschern meint nun, die Antwort zu kennen.

Der Kalkspat sei ein transparenter Stein, der in Skandinavien häufig vorkomme, erläutert Guy Ropars von der Universität Rennes in der Bretagne. Licht wird beim Durchgang durch Kalkspat allerdings abhängig von der Einfallsrichtung verschieden stark gebrochen. Dieses Phänomen nennt man Doppelbrechung. Im Ergebnis dessen sieht man beim Blick durch einen Kalkspatkristall zwei unterschiedliche Bündel des Sonnenlichts, einen »ordentlichen und einen außerordentlichen Strahl«. Durch Drehen des Steins, der wegen dieser Eigenschaft auch Doppelspat genannt wird, könne eine Position erreicht werden, in der die Intensität beider Lichtbündel identisch sei. In diesem Moment zeige der Kristall genau die Richtung der Sonne an. Selbst bei geringer Intensität des Sonnenlichts sei es also mit Hilfe von Kalkspatkristallen möglich, die Position der Sonne zu bestimmen.

Schon im März dieses Jahres hatte ein Team um Gábor Horváth von der Eötvös-Universität Budapest in den »Philosophical Transactions of the Royal Society B« gezeigt, dass bei schlechter Sicht die Orientierung am Sonnenstand mithilfe des doppelbrechenden Kristalls deutlich besser funktionierte als ohne. Insofern wäre die Benutzung der »Sonnensteine« auch nach Einführung von Kompass und Jakobsstab in der Seefahrt noch von Nutzen gewesen, glauben die Forscher um Ropars.

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