Die Sauciere in der Kirche

In Schwetzingen ist eine Ausstellung dem Thema »Reinlichkeit bei bey Hofe« gewidmet

  • Julia Schweizer, dpa
  • Lesedauer: 2 Min.
300 Exponate rund um die Themen Toilette, Waschen und Frisieren sind im Schwetzinger Schloss (Baden-Württemberg) zu sehen. Die Geschichten dazu sind oft pikant.

Schwetzingen. Kleine Blumen, ein goldfarbener Rand und ein elegant geschwungener Henkel mit einer Muschel, um dem Daumen Halt zu geben: Das Porzellangefäß sieht eigentlich aus wie eine Sauciere - doch in dem sonst selten zu sehenden Ausstellungsstück war vor rund 250 Jahren eine ganz andere Flüssigkeit. Das sogenannte Bourdalou war quasi ein Urinal für Frauen - ergonomisch geformt, versteht sich. Und »exquisit bemalt«, sagt Volker Brinkmann.

Der Kunsthändler leiht der Ausstellung »Das stille Örtchen - Tabu und Reinlichkeit bey Hofe« im Schwetzinger Schloss in Baden-Württemberg sein Bourdalou für rund vier Monate aus. Erfunden worden sein soll es wegen Jesuitenpater Louis Bourdaloue, der am Hof des französischen Königs Ludwig XIV. als Geistlicher oft lange Predigten hielt. Weil diese so fesselnd gewesen sein sollen, dass viele Frauen die Kirche nicht einmal für ihre Notdurft verlassen wollten, nahmen sie die kleinen Nachttöpfe mit, die man unter den weiten Röcken auch im Stehen benutzen konnte.

Zu den Leihgaben gehört auch ein Spucknapf. »Spucken war sehr wichtig«, erklärt der Kurator der Schau, Wolfgang Wiese. Die Menschen hätten geglaubt, damit Krankheiten aus ihrem Körper entfernen zu können.

Mit dieser Ausstellung über eigentlich so alltägliche Dinge wie Körperpflege, aber auch Frisieren und Schminken hätten sie oft »wissenschaftliches Neuland« betreten, sagte Michael Hörrmann, Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten. Die Macher der Schau mit rund 300 Exponaten hätten viel Forschungsarbeit leisten müssen, um die Hintergründe der Exponate zu erfassen.

Doch die Besucher sollen nicht nur sehen, wie sich die Adligen früher frisierten oder wuschen - das taten sie zuweilen öfter, als gemeinhin angenommen - , sie sollen auch mit anderen Sinnen angesprochen werden.

So werden sie in der bis zum 12. Februar dauernden Schau die Wasserspülung eines frühen »Water Closets« hören oder sogenannte Toilettenläppchen aus Leinen, Papier oder Schwämmchen anfassen können. Und erriechen, wie die Adligen damals oft mit Parfüm übertünchten, dass sie aufgrund ihrer komplizierten Frisuren oder Kleidung eben doch nicht so oft badeten. Oder es bei spannenden Predigten auch einfach mal laufen ließen.

Ausstellung »Das stille Örtchen - Tabu und Reinlichkeit bey Hofe«, Schloss Schwetzingen, täglich bis 12. Februar, 11 bis 16.30 Uhr

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