Ungewöhnliche Premiere an der Saar

Regierungschefin sprach auf Grünen-Parteitag

  • Oliver Hilt, Saarbrücken
  • Lesedauer: 3 Min.
Noch nie zuvor war ein amtierender Regierungschef des Saarlandes zu einem Grünen-Parteitag eingeladen worden. Diesmal war es soweit: Die CDU-Ministerpräsidentin sprach zu den Delegierten in Saarlouis.

Die Saar-Grünen wollen nach zwei Jahren Regierungsarbeit offenbar durchstarten. Auf einem Parteitag am Wochenende in Saarlouis läuteten sie einen auch für Nicht-Mitglieder offenen Diskussionsprozess um die Zukunft des Landes unter dem wenig bescheiden Slogan »Saarland.2030« ein. Bemerkenswerter als die Debatte um die geplanten »Zukunftswerkstätten« war aber eher ein Grußwort eines prominenten Nicht-Parteimitglieds: Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU).

Eine ungewöhnliche Premiere in vielfacher Hinsicht. Bemerkenswert schon deshalb, weil ein Parteitag des anderen Jamaika-Partners FDP vor wenigen Wochen ohne eine Grußwort der Chefin über die Bühne ging. Bemerkenswert auch, weil sich die Grünen gerade mit ihrem Vorstoß für eine »Denkfabrik« unter dem Leitantragsmotto »Saarland.2030 - Die Herausforderungen annehmen - Den Wandel gestalten« anschickten, der Saar-CDU ein Hauptthema streitig zu machen, nämlich die demografische Entwicklung.

Keine Umarmung

Die Regierungschefin sei darüber wohl ärgerlich, meinte ein Grüner am Rande des Parteitags und zitierte deren Satz: »Die Grünen sind schon weiter.« Den hatte Kramp-Karrenbauer allerdings nur auf die Jahreszahl »2030« gemünzt. Den 105 anwesenden Delegierten gab sie auch gleich die Warnung mit auf den Weg: ein Wunschkonzert wird das nicht, bei der Einhaltung der Schuldenbremse »beißt die Maus den Faden nicht ab«.

Es war keine Umarmung des kleinen Koalitionspartners, eher ein klarer Appell. Die »ungewöhnliche Konstellation« habe bislang »vermutlich stabiler und unspektakulärer« gearbeitet als manche »Wunschkonstellation«, betonte Kramp-Karrenbauer, die bewusst nicht als CDU-Vorsitzende, sondern Ministerpräsidentin sprechen wollte. Das war wohl mit Blick auf Berlin gesagt und sollte zugleich die Hoffnung ausdrücken auf eine gute zweite Halbzeit für Jamaika - »bei allen unterschiedlichen Positionen«.

Eine Aussprache zum »Grußwort« gab es nicht. Dafür nahmen sich die Grünen mit ihren Berichten aus Regierung, Fraktion und Partei gut eineinhalb Stunden Zeit für Erfolgsbilanzen. Das war durchaus nicht unberechtigt, haben die Grünen doch die ersten beiden Jamaika-Jahre deutlich dominieren können - insbesondere bei ihrem Hauptthema Bildung. »60 Prozent sind abgearbeitet oder auf den Weg gebracht« bilanzierte ein selbstbewusster grüner Bildungsminister Klaus Kessler vor den Delegierten. Folglich müssen neue Themen her: »Saarland.2030«. Dass die Saar-Grünen dabei auf Formen starker Bürgerbeteiligung setzen, entspricht einer Tradition der Landespartei. Mit Bürgerbeteiligung haben sie bereits zwei industrielle Großprojekte im Kreis Saarlouis, der Heimat von Parteichef Hubert Ulrich, verhindert. Vordenker bei diesem Vorstoß »Grüne Denkfabrik« ist Saar-Generalsekretär Markus Tressel (MdB). Ihm geht es nicht ums Verhindern, sondern um die Profilierung der Partei.

Diesen Anspruch erfüllte der Parteitag selbst aber kaum. Die Debatte über den Leitantrag fiel knapper aus als die Bilanzen. Der grüne Saarbrücker Umweltdezernent Kajo Breuer äußerte gar Zweifel am Vorgehen. Wenn die Partei zu Bürgerbeteiligungen einlade, werde die Teilnehmerzahl »eher begrenzt« sein. Seine Skepsis dürfte auf die Saarbrücker Oberbürgermeisterwahl vor zwei Wochen zurückgehen, als die Wahlbeteiligung mit gerade mal 35 Prozent einen historischen Tiefstand erreichte und die Grüne Co-Vorsitzende Claudia Willger als Direktkandidatin in der Landeshauptstadt gerade mal sieben Prozent holen konnte.

Staatstragende Attitüde

Der Parteitag beschloss zwar - bei nur zwei Enthaltungen und ohne Gegenstimme - die Einleitung eines Diskussionsprozesses, eigene Antworten auf die anstehenden Probleme wurden jedoch nicht diskutiert.

Noch vor zwei Jahren stritten die Saar-Grünen an gleicher Stelle auf einer ihrer Regionalkonferenzen über die Koalitionsentscheidung. Jetzt erwecken sie eher den Eindruck einer staatstragenden Regierungspartei und ihr Beschluss erinnert an den alten Satz: »Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründ’ ich einen Arbeitskreis« - oder eben eine Zukunftswerkstatt.

Generalsekretär Tressel wird noch alle Hände voll zu tun haben, wenn er für seine Appelle, die »Entfremdung zwischen Bürgern und Politik zu stoppen, um bessere Konzepte zu streiten und Politik wieder spannend zu machen, werben will. Vor allem in der eigenen Partei.

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