nd-aktuell.de / 12.11.2011 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 4

Wäscht sich Unilever rein?

Peter Gerhardt über die Zertifizierung von Palmöl / Gerhardt ist bei der Umweltorganisation Robin Wood zuständig für das Tropenwaldreferat

Fragwürdig: Wäscht sich Unilever rein?

ND: Sie kritisieren den Lebensmittelkonzern Unilever wegen seiner Zusammenarbeit mit dem Palmöl-Hersteller Wilmar. Warum?
Gerhardt: Wilmar ist aus unserer Sicht einer der unverantwortlichsten Player im Palmöl-Geschäft, es gibt seit Jahren große Skandale: Brandrodungen, Umwandlung von Tropenwäldern, Landkonflikte und Menschenrechtsverletzungen. Unilever weiß das seit Jahren.

Unter anderem geht es um konkrete Vorfälle auf der indonesischen Insel Sumatra, die Sie überprüft haben.
Vor etwa drei Monaten wurde das Dorf Sungai Beruang gewaltsam zerstört, Einsatzkräfte des Unternehmens verwüsteten gemeinsam mit der Polizei die Häuser. Wir sind dorthin gereist und haben die Vorwürfe vor Ort überprüft und Unilever mit unseren Ergebnissen konfrontiert.

Wie hat der Konzern reagiert?
Nach den Vorwürfen waren sowohl Unilever wie auch der Lieferant Wilmar unter Druck. Wilmar hat daraufhin ein Gutachten vom TÜV Rheinland anfertigen lassen mit dem Ergebnis, dass die Menschen in dem Dorf illegale Siedler seien, die - zugespitzt gesagt - Wilmar bei seiner wichtigen Arbeit stören. Wir haben dazu eine Stellungsnahme veröffentlicht, in der der Konflikt von der anderen Seite aufgerollt wird: Die Bewohner leben dort seit Jahrhunderten und der Aggressor ist eindeutig das Unternehmen, das ihnen das Land streitig macht. Unilever hat uns zu einem Gespräch eingeladen.

Hat der Konzern Konsequenzen angekündigt?
Nein, Unilever machte nicht den Eindruck, dass sie Konsequenzen ziehen wollen. Der Konzern ist der größte Aufkäufer von Palmöl weltweit und Wilmar beherrscht 30 Prozent des Palmölmarktes.

Und der öffentliche Druck?
Unilever verspricht in der Öffentlichkeit weiter, auf dem europäischen Markt nur mit zertifiziertem Palmöl zu handeln, verschweigt aber, dass die Kriterien des RSPO-Siegels zu lasch sind.

Als Verbraucher kann ich mich Ihrer Meinung nach nicht an diesem RSPO-Siegel orientieren?
Ich glaube, dass die Leute inzwischen sowieso müde geworden sind von diesen ganzen Siegeln. Geht mir selber auch so, wenn ich einkaufe. Mittlerweile gibt es eine Schwemme davon, darunter viele Pseudo-Siegel. Das RSPO-Siegel gehört in diese Kategorie.

Warum?
Die Kräfteverhältnisse im Siegel sind ziemlich ungerecht verteilt. Unternehmen mit kommerziellen Interessen sind in der Überzahl: Palmöl-Verbraucher und Hersteller sowie die finanzierenden Banken. Es sind nur wenige NGO vertreten. Das führt dazu, dass die Kriterien ziemlich lasch sind.

Zum Beispiel?
Nach wie vor darf Wald umgewandelt werden für neue Palmöl-Plantagen. Das ist aus unserer Sicht im indonesischen Kontext nicht akzeptabel. Zudem dürfen trotz Siegel gefährliche Agro-Chemikalien wie Paraquat eingesetzt werden. Das ist ein Total-Herbizid vom Schweizer Hersteller Syngenta, bei uns längst verboten. Warum ist es im RSPO-Siegel erlaubt? Weil Syngenta dort Mitglied ist. Die großen Firmen bestimmen das Spiel.

Fragen: Haidy Damm