nd-aktuell.de / 14.11.2011 / Politik / Seite 13

Mehr als Gegenöffentlichkeit

Community Medien wollen politisch eingreifen

Folke Havekost, Hamburg
Starke Gegenöffentlichkeit oder irrelevante Spielwiese? In Hamburg diskutierten Vertreter von Alternativmedien über Zukunft und Ziele von »Community-Medien«.

Bei der Podiumsdiskussion am Freitag stellte Christian Brandt eine rhetorische Frage: »Will ich viel erreichen oder viele?« Brandt engagiert sich beim Hamburger Freies Sende Kombinat (FSK), das mit einem dezidiert linken Selbstbild 1988 mit einem Sendefenster im Offenen Kanal begann und seit 1998 eine Radio-Vollfrequenz betreibt. FSK finanziert sich nicht über Rundfunkgebühren, sondern über Spenden.

Freie Radios sind Alternativmedien mit inzwischen langer Tradition, derzeit senden etwa 30 im deutschsprachigen Raum. Die international »Community Medien« (CM) genannten Projekte arbeiten unkommerziell und sind neben öffentlich-rechtlichen sowie privaten Anbietern die dritte Säule im Mediensystem. Im September 2008 forderte das Europäische Parlament die EU-Mitglieder auf, Community Medien aktiver zu unterstützen, um Medienpluralismus sicherzustellen.

Die Community Media Werkstatt im Hamburger Gänge- und Schanzenviertel diskutierte am Wochenende über die Zukunft solcher Initiativen. Dienen sie angesichts »fortschreitender Entdemokratisierung« als »weiteres niedrigschwelliges Medium von Demokratie-Management«, wie Moderator Torsten Michaelsen zur Debatte stellte? Sollen sich CM auf lokale Themen konzentrieren oder den Blick aufs größere Ganze wagen? Sollen sie einen Querschnitt der Community darstellen oder bewusst Gegenöffentlichkeit zu etablierten Medien herstellen?

Lars Rathje Juhl von der Radioinitiative Schleswig-Holstein plädierte für eine »intervenierende Gegenöffentlichkeit«. Sein FSK-Kollege Brandt ergänzte: »Es geht nicht nur darum, Gegenöffentlichkeit zu schaffen, sondern auch um den Anspruch, in politische Prozesse einzugreifen.« Als Beispiele nannten die Aktiven die Berichterstattung über Nazi-Demos wie auch die Mobilisierung gegen den damaligen Hamburger Innensenator Ronald Schill. Hausdurchsuchungen durch die Polizei finden regelmäßig statt.

»Gegenöffentlichkeit herzustellen, verengt das Spektrum«, mahnte hingegen Heiko Hilker vom MDR-Rundfunkrat, der von 1994 bis 2009 für die LINKE im sächsischen Landtag saß. »Um gesellschaftlich relevant zu werden, braucht es eine gewisse Anzahl.« Hilker schilderte seine Erfahrungen mit dem DT-64-Freundeskreis, der bis Ende 1992 auf 6000 Mitglieder angewachsen war.

Beispiele für eine Nichtbeschränkung sind die französischen Online-Magazine »rue 89« und »mediapart«, die von Print-Journalisten gegründet wurden und investigativen Journalismus bieten - teils umsonst, teils gegen Gebühr. Bei »mediapart« zahlt der Nutzer für den Zugang neun Euro im Monat.

»CM will nicht nur kurzfristige Mobilisierung wie etwa Twitter, sondern will in einer immer abgehackteren Öffentlichkeit etwas auf Dauer stellen«, erklärte der Ilmenauer Kommunikationswissenschaftler Jeffrey Wimmer und warb für einen Qualitätsbegriff, der unter den Aktiven im Verdacht steht, staatliche Reglementierungen zu befördern. »Qualitätsmanagement heißt nicht Qualitätskontrolle«, sagte Wimmer. »Was man macht, kann man transparent gestalten.«

»Wenn ich die Occupy-Bewegung abfeiere, werden mir wahrscheinlich viele Leute zuhören, aber erreichen werde ich damit nichts«, stellte Rathje Juhl fest. Entscheidend sei, andere Inhalte über dieselben Sachen zu transportieren: »Freies Radio kann in Bewegungen hineingehen und sie anstoßen, ohne gleich Büttel der Szene zu sein.«