nd-aktuell.de / 15.11.2011 / Brandenburg / Seite 13

Auf der Suche nach Margot Kippenberger

Geschichten fürs Leben: Führungen über den Berliner Matthäus-Kirchhof

Andreas Heinz

Einmal pro Monat ist der Theaterpädagoge und selbst ernannte Märchenerzähler Gerhard Moses Heß in der »Bel Etage« der Berliner Begräbnisstätten unterwegs - dem Alten St. Matthäus-Kirchhof in Schöneberg. Dort unternimmt er poetische Führungen mit Geschichten zu Grabstätten und Mausoleen Berliner Persönlichkeiten. Und erzählt dabei auch gleich, warum der Friedhof den Beinamen »Bel Etage« bekam.

»Die Kirchengemeinde, zu der der Matthäus-Friedhof gehört, hatte ihren Sitz am Potsdamer Platz. Dazwischen gab es damals noch viel Grün, so dass man vom Potsdamer Platz bis zum Kirchhof freie Sicht hatte. Und da die Grabstätten und die Kapelle auf einer Anhöhe liegen, wurde daraus das schöne Geschoss«, berichtet Heß.

Hier haben viele Literaten, Mediziner, Verleger und Politiker ihre letzte Ruhe gefunden. Nach der Begräbnisstätte einer Frau forschen die Mitglieder des Friedhofsfördervereins EFEU, dem auch Heß angehört, allerdings weiterhin. »Wir suchen immer noch nach dem Grabstein von Margot Kippenberger«, so Heß.

Nach den Berichten von Heß war Margot Kippenberger die Tochter des Kommunisten Hans Kippenberger, der hingerichtet wurde. Die Tochter sei dann zu lebenslanger Haft in Sibirien verurteilt worden. 1958 reiste sie in die DDR aus, 1980 ging sie in den Westteil Berlins. In Sibirien hatte Margot geheiratet und fünf Kinder bekommen. Bekannt ist nur noch, dass sie hier auf dem Matthäus-Kirchhof bestattet wurde. Allerdings existiert kein Grabstein mehr. »Wir recherchieren, wo der Stein geblieben ist, denn Margot Kippenberger soll nicht vergessen werden«, mahnt Heß.

Hinter den Grabsteinen auf dem vor 150 Jahren eröffneten Friedhof erinnern noch einige Mausoleen an den Wohlstand der Familien. Die Begräbnisstätte von Paul und Luise Herpich existiert noch. Der Familie gehörte ein Teppichhaus am Potsdamer Platz. An das Mausoleum der Verlegerfamilie Langenscheidt erinnert nur noch ein Gemälde an einer Hauswand. »Bei der Planung für seine Welthauptstadt Germania ließ Hitler einen Teil des Matthäus-Kirchhofs schleifen«, so Heß. Die Mausoleen wurden abgetragen und auf dem Stahnsdorfer Friedhof wieder aufgebaut, auch das der Familie Langenscheidt.

Über 50 Gräber prominenter Persönlichkeiten sind auf dem Friedhof zu finden; die Sprachwissenschaftler und Verleger Jacob und Wilhelm Grimm, Gustav Moritz Bock, Mitbegründer des Verlages Bote und Bock, der Komponist und Dirigent Max Bruch, die Frauenrechtlerin Minna Cauer, der Bildhauer Friedrich Drake, Architekt Alfred Messel.

Matthäus-Friedhof, Großgörschenstraße 12, Schöneberg; nächste kostenlose Führungen: 26. 11., 17. 12, jeweils 14 Uhr