Schwindende Lust am Lehrerberuf

Schulexperten diskutierten über pädagogische Leitbilder und didaktische Ausbildung

  • Antje Stiebitz
  • Lesedauer: 3 Min.
Gute Lehrer sind entscheidend für die Zukunft unserer Kinder. Deswegen haben sich auch die Robert-Bosch-Stiftung und die Stiftung der Deutschen Wirtschaft des Themas angenommen.

Die Worte Lust und Lehrer seien zwar eine schöne Alliteration, meinte Martin Spiewak, Redakteur der »Zeit«, zu Beginn einer Podiumsdiskussion in Berlin, doch in der Öffentlichkeit und auch von sich selbst würden Lehrer eher als Mängelwesen wahrgenommen. Üben Pädagogen eine Halbtagsjob aus? Oder ist ihre Aufgabe so aufreibend, dass ständig Erschöpfung droht? Was wird von einem Lehrer gefordert und wie kann man jungen Menschen den Lehrerberuf schmackhaft machen, damit sich künftig »die Besten« für ihn entscheiden? Diese und weitere Fragen debattierten drei Schulexperten im Haus der Deutschen Wirtschaft in Berlin-Mitte.

Cornelia von Ilsemann, Leiterin der Abteilungsleiterin im Bremer Bildungssenat, beanstandete die gewählte Formulierung. »Waren denn bisher nicht die Besten Lehrer?« Ihrer Meinung nach mussten Lehrkräfte schon immer fachliche und didaktische Kompetenz in Verbindung mit Persönlichkeit und einem wachen Interesse für ihre Schüler mitbringen. Dafür sei der Job krisenfest, beinhalte sowohl eigenverantwortliches Arbeiten als auch Teamwork und man habe immer junge Menschen um sich herum.

Lehrer versteckten sich häufig hinter ihrem Fachwissen und das mache viel kaputt, davon ist Wolfgang Vogelsänger, Schulleiter der Georg-Christoph-Lichtenberg Gesamtschule aus Göttingen, überzeugt. Wichtiger sei es, die Schüler auf das Leben vorzubereiten. Seine Schule wurde gerade mit dem Deutschen Schulpreis 2011 ausgezeichnet, weil die Kinder hier trotz unterschiedlicher Leistungsstärken besonders lange gemeinsam lernen und die individuelle Förderung und Teamarbeit beispielhaft sind. Vogelsänger schwört auf eine stärkere Vernetzung zwischen Lehrern, Schülern und Eltern, wie sie an seiner Schule praktiziert wird. Dieses ständige Feedback führe bei allen Beteiligten dazu, dass sie sich stärker mit dem Lernen und Lehren identifizierten. Mangelnde Rückmeldung beklagt auch Michael Schratz, Dekan der Fakultät für Bildungswissenschaften an der Universität Innsbruck. Außerdem fehle es dem gegenwärtigen Schulsystem an Respekt und es sei zu dogmatisch. In Kanada beispielsweise würde der Unterricht lockerer ablaufen und das führe zu guten Resultaten. »Befriedigung entsteht, wenn man merkt, dass bei den Schülern etwas ankommt«, fügt er hinzu.

Viele der Schwierigkeiten beginnen schon mit der Lehrerausbildung. Cornelia von Ilsemann hält es für wichtig, dass die jungen Lehramtskandidaten möglichst früh herausfinden, ob sie für den Job überhaupt geeignet sind. Dafür seien viel Praxis, Reflexion und vor allem Feedback notwendig. Michael Schratz bemängelt, dass viele der angehenden Lehrer noch nicht einmal die Grundfragen ihres Faches beantworten könnten. Und Wolfgang Vogelsänger fügt hinzu, dass die Art und Weise, wie an der Universität Unterricht gelehrt wird, nichts mit dem Schulalltag zu tun habe.

Einig war sich das Podium darin, dass unser Schulsystem mehr Quereinsteiger zulassen sollte. In Deutschland gebe es nicht einmal zehn Prozent von ihnen, in Großbritannien machten sie 80 Prozent der Lehrkräfte aus. »Quereinsteiger bringen größere Dynamik in die Schule«, erklärt Michael Schratz.

Ob die Diskussion dazu beitragen konnte, junge Menschen für den Lehrerberuf zu begeistern, sei dahingestellt. Auf jeden Fall hat sie verdeutlicht, was im Argen liegt.

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