Falsch verliebt

Evangelische Kirche entlässt württembergische Vikarin, weil sie einen Muslim geheiratet hat

  • Susanne Müller, epd
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Liebe macht vor Religionsschranken nicht halt. Die Evangelische Landeskirche in Württemberg entlässt jedoch eine Vikarin, weil diese einen Muslim geheiratet hat. Nichtchristen sind nach Kirchenrecht als Ehepartner von Pfarrern nicht vorgesehen.

Stuttgart. Als Carmen Häcker mit ihrem späteren Ehemann Md Monir Khan im Dezember 2010 aus Bangladesch zurückkehrte, ahnte sie noch nicht, welche Wellen ihre Beziehung schlagen würde. Die 28-jährige evangelische Theologin startete nach den Monaten in Asien - unter anderem war sie Praktikantin bei der weltbekannten Grameen-Bank - wie geplant im März ins Vikariat mit dem Ziel, württembergische Gemeindepfarrerin zu werden. Im Spätsommer 2011 hat sie geheiratet. Daraufhin suspendierte die Kirche sie vom Dienst, zum Jahresende wird sie entlassen. Ihr Mann ist nach Lesart der Behörden religionslos, aber aufgrund seiner Herkunft Muslim und versteht sich auch so.

Der jungen Theologin war schon bei ihrem Aufenthalt in Bangladesch klar: »Wenn es ernsthaft wird mit dieser Beziehung, wird es in der Kirche nicht diskussionslos hingenommen werden«, sagte sie dem epd. Sie setzte aber auf die Möglichkeit, einen Antrag auf Ausnahmegenehmigung zu stellen, und darauf, dass ihr künftiger Mann ihren Beruf vollständig bejaht und sie darin voll unterstützt. »Das Pfarrerberufsbild kannte er vorher gar nicht, aber er steht ganz dahinter, nach wie vor«, betont sie.

Christ auf dem Papier?

Nach Gesprächen mit Verantwortlichen zu Beginn ihres Vikariats hatte sie damit gerechnet, vielleicht nicht als Pfarrerin ordiniert zu werden - nicht aber, dass sie mit der Heirat das Vikariat abbrechen müsste. Mit abgeschlossenem Vikariat könnte sie eventuell in einer anderen Landeskirche unterkommen.

Jetzt wird sie vielfach gefragt, weshalb ihr Mann nicht einfach auf dem Papier Christ geworden ist. Das hätte Carmen Häcker aber nicht gewollt: »Als Christin und Pfarrerin sehe ich das so, dass Christsein mit dem Bekenntnis zusammenhängen muss, alles andere wäre Verrat am Selbstverständnis meines Mannes.« Sie fände auch nicht gut, wenn die Evangelische Landeskirche mit einem Papier-Bekenntnis zufrieden wäre. Für ihren Mann ist Muslimsein vollständig Teil seiner ethnischen Identität.

Der Fall von Carmen Häcker ist in der württembergischen Landeskirche »ein absoluter Ausnahmefall«. Kirchenrätin Kathrin Nothacker, die für Planung, Einsatz und Verwaltung des Pfarrdienstes zuständig ist, hatte in den vergangenen Jahren keinen einzigen Fall, in dem ein Ehepartner nicht getauft oder nicht Christ war. Selten gebe es Partnerinnen oder Partner, die beispielsweise einer orthodoxen oder der katholischen oder evangelisch-methodistischen Kirche angehören.

»Wir müssen geradlinige, vergleichbare und damit zwangsläufig auch formale Kriterien anwenden«, erläutert Nothacker. Für die Landeskirche bedeute dies, dass Ausnahmegenehmigungen dann greifen, wenn der Partner oder die Partnerin einer Kirche angehören, die in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) Mitglied ist. Junge Theologen, die in den Pfarrdienst streben, wissen dies von Anfang an - und zu Beginn ihres Vorbereitungsdienstes verpflichten sie sich sogar darauf. Dass Carmen Häcker mit Frist gekündigt wurde, ist auf das besondere Dienstverhältnis im Vikariat zurückzuführen. Es ist ein »Widerrufsdienstverhältnis«, erläuterte Nothacker. Es bietet damit beispielsweise nicht die Möglichkeit, eine Auszeit zu nehmen, um Dinge zu klären. »Wir hatten in diesem Fall ein ganz enges Zeitfenster«, sagte Nothacker.

Als berufliche Ausweichmöglichkeiten sieht Nothacker für die Betroffene, ein zweites Fach zu studieren und als Theologin im Schuldienst zu arbeiten oder sich bei einer anderen Landeskirche, die andere Aufnahmekriterien für den Pfarrdienst hat, um ein Vikariat zu bewerben.

Dienstrecht wird diskutiert

Das angestrebte bundesweit einheitliche EKD-Dienstrecht, das in Württemberg noch diskutiert wird, sieht allerdings ebenfalls vor, dass Ehepartner im Pfarramt »einer christlichen Kirche angehören« müssen. »Im Einzelfall kann eine Ausnahme zugelassen werden, wenn zu erwarten ist, dass die Wahrnehmung des Dienstes nicht beeinträchtigt wird«, heißt es dort.

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