nd-aktuell.de / 24.11.2011 / Kultur / Seite 13

Wiener ohne Wien

Georg Kreisler, ein Meister des schwarzen Humors, ist tot

Martin Hatzius

Es sind bitterböse Lieder, die Georg Kreisler mit fröhlicher Miene und rollendem »R« sang, wähend seine Finger wild über die Klaviertasten tanzten. Wenigstens eines davon kennt jeder: »Tauben vergiften im Park«. Eines von Hunderten.

Ob Kreisler den »Furz« des Staatsbürokraten auf seinem Weg durch die Institutionen verfolgte, im »Kapitalistenlied« die Verharmlosung der Waffen des Geldes persiflierte oder den gesellschaftsstiftenden Hass besang - »Wir sind alle, alle, alle Terroristen ... nur gegen einen nicht: den Staat« -; seine anarchistischen Satiren galoppierten stets so heiter durch das Leben, dass man das Augenmerk nicht gleich auf den Reiter richtete. Es kommt aber immer der Moment, da man erkennt, dass hinter musikalischem Furor, pointierter Poesie und morbider Ironie ein Ernst agiert, dem Trauer als Ausdrucksmittel einfach zu schwach ist. Kreisler ließ seine Zuhörer von Herzen lachen, damit sie sich daran verschluckten.

Nicht weniger heiter als andere Chansons kommt »Wien ohne Wiener« daher, darin der schwarze Humorist die Liebe zu seiner Gebursstadt bekundet - wäre sie nur frei von ihren Bewohnern. Denen nämlich, die den 16-jährigen Juden Kreisler und seine Familie 1938 aus der Stadt ins Exil gejagt hatten. Dort, in den USA, schrieb er erste (englische) Songs, arbeitete in Hollywood etwa mit Charlie Chaplin zusammen, tingelte später durch New Yorker Nachtklubs. 1943 war er Staatsbürger der USA geworden. Als US-Soldat kehrte er zurück nach Europa, war als solcher beteiligt an der Vorbereitung des Nürnberger Prozesses.

Seit 1955 lebte Kreisler wieder in Österreich, der BRD und der Schweiz, wurde mit seinen deutschsprachigen Liedern bekannt. Dass er auch Musicals und Opern, Lyrik und Prosa geschrieben hat, ist weniger geläufig. Kreislers fast vollständig unbekannter Klaviermusik aus den 40er und frühen 50er Jahren sollte Ende Oktober ein Gesprächskonzert des Vereins »musica reanimata« im Berliner Konzerthaus gewidmet sein. Zwei Tage vorher musste die Veranstaltung wegen Kreislers Erkrankung abgesagt werden. Letzte Worte der Pressemitteilung: »Ein Ersatztermin wird kommuniziert.« Es wird keinen geben. Am Dienstag starb Kreisler, 89 Jahre alt, in Salzburg.