Ein Brot für fünf Batzen

Leipziger Tauschring lebt in Zeiten der Eurokrise wieder auf - neue Mitglieder sind willkommen

  • Heidrun Böger, Leipzig
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Idee vom eigenen Geld für ein überschaubares Gebiet scheint sich in Deutschland immer mehr zu verbreiten. In Leipzig heißt die Regionalwährung Batzen.
Günter Przybylski, von Beruf Diplom-Sozialarbeiter, repariert im Nebenjob Fahrräder – für Batzen.
Günter Przybylski, von Beruf Diplom-Sozialarbeiter, repariert im Nebenjob Fahrräder – für Batzen.

Eigentlich ist der Batzen-Tauschring in Leipzig schon 16 Jahre alt. Ursprünglich 1995 aus dem Umweltbund »Ökolöwe« heraus gegründet, war es jedoch für einige Jahre recht ruhig geworden um das Tauschportal. Nun lebt das Projekt wieder auf. »Das Prinzip ist geblieben«, sagt Lina Altmann. »Bei uns können Leute Leistungen und Fähigkeiten tauschen und nebenbei nette Leute kennenlernen.«

Die 25-Jährige ist über ihre Eltern schon seit 1997 dabei, damals war sie noch ein Kind. Sie ist gemeinsam mit ihrem Vater Ralf Kluttig-Altmann, einem Archäologen, und René Kalio, einem Chemiker, im Vorstand des Vereins.

Preis wird ausgehandelt

Die Idee hinter dem Batzen-Tauschring fasziniert Lina Altmann bis heute. Jemand, der zum Beispiel Helfer für einen Umzug braucht, aber dafür kein Geld hat oder ausgeben will, zahlt in Batzen. Die muss er sich verdienen, indem er zum Beispiel Fenster putzt, Brot bäckt oder Baby sittet. Es gibt ein Batzen-Konto, auf dem gehen die Guthaben für erbrachte Leistungen ein. Hat man viel auf dem Konto, kann man sich Wünsche erfüllen. Ein Batzen entspricht einem Euro.

Derzeit hat der Verein »Batzen-Tauschring« etwa 150 Mitglieder, über 500 Anzeigen finden sich auf der Homepage www.batzen.de . Da ist alles vertreten, vom Spanisch-Unterricht über Fahrradreparaturen bis zu Hilfe im Garten. Auch die Mitglieder sind sehr verschieden. Es gibt Studenten, Selbstständige, Angestellte und Rentner, junge Leute, Familien und Ältere.

Den Preis verhandeln die Tauschpartner selbst. Ein Brot backen zum Beispiel bringt fünf Batzen. Allerdings ist es manchmal so, dass es einen großen Bedarf an Brot oder Kuchen gibt, aber nur wenige Leute im Gegenzug putzen wollen oder die Telefonanlage anschließen können. Momentan sehr gesucht sind zum Beispiel Haare schneiden und auch handwerkliche Tätigkeiten. Nach dem Tausch wird bewertet, wie man das von amazon oder ebay kennt: Die meisten sind zufrieden und vergeben fünf Sterne.

Lina Altmann ist von Beruf Masseurin: »Manchmal massiere ich dann zum halben Preis und lasse mir die andere Hälfte in Batzen geben.« Die wiederum tauscht die junge Frau gegen Fenster putzen ein. Auch einen neuwertigen Sonnenschirm, der im Laden 160 Euro gekostet hätte, hat sie so schon für 60 Batzen bekommen.

Gerade in Zeiten von immer wiederkehrenden Finanzkrisen übt die Idee des Tauschens für viele Leute eine gewisse Faszination aus. Nachdem es einige Jahre etwas ruhiger geworden war um den Batzen-Tauschring, gibt es jetzt wieder mehr aktive Mitglieder. Die müssen einen jährlichen Mitgliedsbeitrag erbringen. Er beträgt 9,60 Euro bei aktivem E-Mail-Konto und 15,60 Euro, wenn ein solches nicht vorhanden ist. Dafür wird zum Beispiel die Internetpräsenz gepflegt, werden Tauschanzeigen verwaltet oder Flyer bezahlt. Begeistert von der Idee ist auch Kristin Lehmann. Ursprünglich waren sie und ihr Mann zum Batzen-Tauschring gekommen, weil er einen Schweißer suchte. Günter Przybylski, von Beruf Diplom-Sozialarbeiter, repariert im Nebenjob Fahrräder und brauchte jemanden, der ein Lastenrad schweißen kann.

Marmelade und Kräuter

Kristin Lehmann selbst bietet an, für Hochzeiten oder Geburtstage die gesamte Deko zu übernehmen: »Ich bastle gern.« Die Gebärdensprachdolmetscherin findet wichtig zu erkennen, »was ich kann und wie ich das Gewinn bringend einsetzen kann. Das ist gar nicht so einfach.« Sie hat schon Fenster geputzt und die Batzen eingetauscht in Pflanzen oder eine Musikanlage. Die 43-Jährige nutzt die Batzen auch, um sich kleine Extras zu gönnen. Gleichzeitig findet die dreifache Mutter: »Es macht Spaß sich auszuprobieren.« Neue Mitglieder sind beim Batzen-Tauschring jederzeit willkommen, sie können auch zum monatlichen Treff im »Hopfenspeicher« in der Leipziger Oststraße 38 unangemeldet vorbeischauen. Von Mai bis September findet der Stammtisch am Vereinssitz »Zum Kleingartenpark 41« statt, bei schönem Wetter dort im Garten. Auch bei den Treffen wird getauscht, die Renner sind selbst gemachte Marmelade und Früchte oder Kräuter.

Viele zugereiste Leipziger kennen die Tauschidee schon von ihren Heimatorten. Etwa 150 Tauschringe gibt es deutschlandweit, zum Beispiel in Dresden, Dessau oder Rosenheim. Gezahlt wird dort oft in Talenten oder Talern. Es gibt auch witzige Namen wie »Ohne Moos geht's los«. Die Idee, die dahinter steht, ist aber immer gleich.

Treff ist jeden 1. Montag im Monat ab 19 Uhr, im Hopfenspeicher, Oststraße 38, 04317 Leipzig; Telefon: 0341-3511236; E-Mail: post@batzen.de; Internet: www.batzen.de

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