US-Konjunktur bleibt labil

Notenbankchef Greenspan hält weitere Zinssenkungen für nötig

  • Dieter Janke
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit jeher bewegen die Worte des Chefs der US-Notenbank Fed, Alan Greenspan, nicht nur die Gemüter der Börsianer und Analytiker. Am Mittwoch trat er vor dem Finanzausschuss des US-Repräsentantenhauses auf und sorgte für ein Stimmungstief bei der US-Börse - sowie für ein Zweimonatshoch beim Euro.
Greenspans Rede war angesichts der konjunkturell schwierigen Lage in den USA mit besonderer Spannung erwartet worden. Man hatte gehofft, dass er wenigstens auf absehbare Zeit Entwarnung signalisiert - und wurde herb enttäuscht. Der für seine nüchternen und ausgewogenen Analysen geschätzte US-Notenbankchef sieht nach wie vor Gefahren für eine weitere Abkühlung der US-Konjunktur und hält deshalb erneute Zinssenkungen für möglich. »Es bestehen weiter Risiken, dass die Abschwächung stärker sein wird als ursprünglich erwartet, und dies könnte eine politische Antwort erfordern«, hatte Greenspan formuliert. Die Börsen reagierten prompt. Der New Yorker Aktienmarkt schloss am Mittwoch deutlich schwächer. Der Dow-Jones-Index notierte nach deutlichen Gewinnen am Vortag mit einem Minus von 36,56 Punkten bei 10569,83. Auch die Technologiebörse Nasdaq gab spürbar nach, zumal die Nachrichten über die Probleme bedeutender High-tech-Firmen nicht nachlassen. Der stärker als erwartet gestiegene Preisindex habe zusätzlich auf die Stimmung gedrückt, hieß es. »Man wartete lange auf den Stimmungsumschwung und wenn man beginnt, dafür Beweise zu finden, sieht man gegenteilige Beweise. Das drückt die Laune der Investoren«, sagte Charles White, Präsident des Investmenthauses Avatar Associates. Davon blieb auch die Frankfurter Börse nicht verschont. Die deutschen Standardwerte im DAX standen am Mittwoch erneut unter Verkaufsdruck, dieser gab im späten Geschäft 1,93 Prozent auf 5734 Zähler ab. Auch beim Neuen Markt ging es am Ende abwärts. Der Markt hatte gehofft, der US-Währungshüter werde endlich ein Ende der Konjunkturschwäche prognostizieren, so dass die Wirtschaft auch ohne Zinssenkungen wieder auf die Beine komme. Das Dilemma, vor dem der Offenmarktausschuss des Fed steht - am 21. August befindet er über seine weitere geldpolitische Taktik - besteht nunmehr darin, dass mit dem weiteren Drehen an der Zinsschraube unter den Investoren offenbar nicht mehr wie bislang Hoffnungen auf eine baldige konjunkturelle Wende verbunden sein werden. Der Glauben in die Allmacht der Geldmengensteuerung ist inzwischen selbst im Vaterland des Monetarismus nicht mehr ungebrochen. »Sollte Greenspan die Zinsen weiter senken, könnte man denken, dass es sich derzeit sogar um eine Rezession in den USA handelt«, meint Stefan Buchholz von der DG Bank. Lediglich der Euro profitierte von der Greenspan-Rede. Nach den unerwartet pessimistischen Äußerungen des Fed-Chefs zur US-Wirtschaft ist der Euro am Mittwoch gegen den Dollar auf ein Zweimonatshoch von 0,8737Dollar gestiegen. Zusätzlichen Auftrieb erhielt sie durch die Äußerungen von US-Präsident George Bush, ein starker Dollar habe sowohl Vor- als auch Nachteile für die US-Wirtschaft. Das US-Finanzministerium kündigte allerdings an, die Politik des starken Dollars beizubehalten. Sollte sich das zwischenzeitliche Hoch als die lang ersehnte Trendwende beim Euro-Dollar-Wechselkurs herausstellen, sind weitere Belastungen für die europäische, insbesondere für die angeschlagene deutsche Exportwirtschaft programmiert.
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