Unter Vorsitz von Paul van den Ijssel werden die Vertreter der 164 Mitgliedstaaten der B-Waffen-Konvention jetzt in Genf einschätzen, wie das Verbot bisher funktioniert und welche neuen Entwicklungen zukünftig berücksichtigt werden müssen. »Was bedeutet der enorme Fortschritt vor allem auf dem Gebiet der Lebenswissenschaften für die Konvention und den gesamten Bedingungsrahmen des Abkommens?« - so formuliert der holländische Diplomat eine vordringliche Frage, auf die die Konferenz eine Antwort finden muss. »Ich glaube, es gibt keinen anderen Bereich von Wissenschaft und Technologie, der so schnell wächst wie die Lebenswissenschaften, die direkt mit der Konvention verbunden sind.«
Diese umfassen außer der Biologie verwandte Bereiche wie Medizin, Biochemie, Molekular- und Zellgenetik, aber auch die Synthetische Biologie. Ja, sie reichen sogar bis in die Human- und Sozialwissenschaften hinein. Von einem solchen breiten Ansatz war natürlich noch nicht die Rede, als das Abkommen vor mehr als 40 Jahren ausgehandelt wurde. Damals ging es vorrangig darum, den Missbrauch von Krankheitserregern für nichtfriedliche Zwecke zu verhindern. Das Übereinkommen untersagt neben der Anwendung die Entwicklung, Herstellung und Lagerung von Biowaffen sowie deren Besitz und verlangt darüber hinaus die Vernichtung vorhandener biologischer Kampfstoffe.
Das Verbot erfasst lebende Organismen oder von diesen gewonnene infektiöse Materialien - Bakterien, Viren und Pilze - , die bei Menschen, Tieren oder Pflanzen zu Krankheit oder Tod führen. Die Konvention verbietet ebenfalls künstlich hergestellte mikrobiologische und andere biologischen Stoffe sowie Toxine, die nicht für friedliche Zwecke bestimmt sind. Bakteriologische Kampfstoffe können z.B. Cholera, Typhus und Pest sowie viele Tierkrankheiten hervorrufen.
Angesichts der neuen Unübersichtlichkeit bei den Biowissenschaften werden die Konferenzteilnehmer auch darüber beraten, wie die Vertragsbestimmungen wirksam und zuverlässig umgesetzt werden können, denn bisher gibt es dafür kein Kontrollsystem. Ein bereits vor elf Jahren ausgehandeltes Zusatzprotokoll hatte die damalige Bush-Regierung blockiert. Da die USA und einige andere Staaten weiterhin ein Verifikationsprotokoll ablehnen, muss nach neuen Wegen gesucht werden. US-Diplomatin Laura Kennedy hat bereits im Vorfeld keinen Zweifel gelassen: »Ein Verifikationsregime ist heute nicht machbarer als 2001.«
Aber andere pragmatische und konstruktive Dinge wären möglich, um Transparenz zu fördern. Ein möglicher Kompromiss könnte darin bestehen, die vereinbarten vertrauensbildenden Maßnahmen weiter auszubauen, denn daran hapert es bisher. So hat im vergangenen Jahr mit 72 nicht einmal die Hälfte der Vertragsstaaten die jährlich abzugebenden Berichte über ihre biowissenschaftlichen Aktivitäten geliefert.
Gegenüber anderen Abrüstungsverträgen wie der Chemiewaffen-Konvention mit 188 Mitgliedern oder dem Atomwaffensperrvertrag, der sogar 190 Teilnehmer vereint, steht die Biowaffenkonvention deutlich zurück, denn diese verfügen über institutionell eigenständige Vertragsorganisationen. Um dennoch die Erfüllung der Vertragsbestimmungen zu erleichtern, bildete die vergangene Überprüfungskonferenz die zunächst zeitlich befristete »Implementation Support Unit«.
Optimisten sehen das dreiköpfige Team als einen möglichen ersten Schritt zu einer permanenten Betreuungsinstitution für die Konvention. Das im Genfer UN-Abrüstungsbüro angesiedelte Mini-Sekretariat unter Leitung des Australiers Richard Lennane unterhält die Kontakte zu den Vertragsstaaten ebenso wie zu biowissenschaftlichen Einrichtungen und andern Institutionen. Es leistet administrative Unterstützung, nimmt die jährlichen Berichte über vertrauensbildende Maßnahmen entgegen und betreut die Überprüfungs- und Jahreskonferenzen. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird das Mandat der Gruppe jetzt verlängert und möglicherweise sogar personell verstärkt.
Nicht zuletzt kommt es darauf an, die Mitgliederzahl zu erhöhen, denn der Schutz vor Biowaffenangriffen ist ein globales Anliegen und erfordert universelle Zusammenarbeit. Oft sind die Gründe für das Fernbleiben einiger Staaten Desinteresse an Biowaffen oder schlicht andere wirtschaftliche und entwicklungspolitische Prioritäten. Um die Situation zu verbessern, will der Konferenzpräsident der im Vertrag vorgesehenen Unterstützung bei der friedlichen Nutzung der Biowissenschaften gebührenden Raum in der Diskussion gewähren.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/212697.biowaffen-im-visier.html