Mit Stempeluhr in den Unterricht

Bundesamt verschärft Kontrollmaßnahmen bei Deutschkursen für Migranten

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 2 Min.
Wie viel ist dem deutschen Staat die Integration von Einwanderern wert? Offenbar nicht viel, denn gerade die sogenannten Integrationskurse sind seit Jahren unterfinanziert. Gleichzeitig sind die Anforderungen an die Träger wie an die Teilnehmer hoch - und sie sollen jetzt noch erhöht werden.

Angefangen hat es mit einem TV-Bericht: Das ARD-Magazin »Report Mainz« berichtete im Sommer über angeblich lasche Anwesenheitskontrollen bei den Integrationskursen, in denen Einwanderer - teilweise verpflichtend - die deutsche Sprache erlernen. Das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) reagierte prompt: Seit dem 1. August muss jeder Teilnehmer von Integrationskursen neben den bisher üblichen Anwesenheitslisten in einem weiteren Papier unterschriftlich bestätigen, während der gesamten Dauer des Kurses anwesend gewesen zu sein. Zudem sollen die Lehrkräfte auf die Minute genau dokumentieren, wenn Teilnehmer den Kurs vorzeitig verlassen oder verspätet zum Unterricht erscheinen. In einem Merkblatt des BAMF werden die Träger der Integrationsmaßnahmen belehrt, wann eine Nichtteilnahme an Integrationskursen als unentschuldigt gilt. So wird die Fehlzeit eines Kursteilnehmers wegen der Teilnahme an einer Hochzeit von Verwandten oder wegen eigener Eheschließung ebenso als unentschuldigt klassifiziert wie die Teilnahme an der Beerdigung eines Verwandten ab dem zweiten Grad oder ein Wohnungswechsel. In einem Rundschreiben weist das BAMF die Träger darauf hin, dass ihnen der Widerruf ihrer Zulassung drohen kann, wenn sie die Regelungen nicht oder mangelhaft umsetzen.

Die Kontrollmaßnahmen stoßen jedoch nicht nur bei den Migranten, sondern auch bei vielen Trägern dieser Maßnahmen auf heftige Kritik. In der letzten Woche begründeten 15 Sprachschulen in einem Offenen Brief an das BAMF die Argumente für ihre Ablehnung. »In den Kursen wird so ein Klima des Misstrauens und der Entfremdung geschaffen«, monieren die Bildungsträger und warnen vor gravierenden Folgen. »Das würde die für den Lernerfolg der Kursteilnehmer essenzielle Atmosphäre des Vertrauens und der Lust am Erlernen der deutschen Sprache und der Auseinandersetzung mit der deutschen Gesellschaft zerstören.« Im Gespräch mit »nd« nennt Kay Wendel von der Berliner Sprachschule Babylonia e.V. die Kontrollmaßnahmen einen Versuch, den Kursen die Methoden einer deutschen Fabrikgesellschaft aufzuzwingen. Damit werde verkannt, dass Bildungseinrichtungen nicht nach den Kriterien von Misstrauen und totaler Kontrolle funktionieren können.

In dem Offenen Brief werden Vorschläge für eine bessere Integrationsarbeit formuliert: »Statt den irrigen Weg einer ›perfekten‹ Kontrolle zu gehen, sollte ein neues Abrechnungssystem für die Integrationskurse geschaffen werden, das die kulturellen Gepflogenheiten der Kursteilnehmer berücksichtigt und den Kursträgern ein kostendeckendes Wirtschaften ermöglicht«.

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