Polizist prügelte Fußballfan

Schläger gestern wegen Körperverletzung im Amt verurteilt

  • Jan Tölva
  • Lesedauer: 2 Min.

Es ist schon gut eineinhalb Jahre her, dass Anne H. nach dem Spiel des FC St. Pauli bei Union Berlin auf sehr unerfreuliche Weise Bekanntschaft mit der Berliner Bereitschaftspolizei machte. Zusammen mit anderen Fans des Hamburger Vereins hielt sie sich nach dem Spiel auf dem Gelände einer Tankstelle neben der Alten Försterei auf und wartete auf Bekannte. Es kam zu einem Gerangel zwischen Polizei und Fußballanhängern und Anne H. wurde festgenommen.

Ein halbes Jahr später, im November 2010, musste sie sich vor Gericht verantworten, weil sie einen Beamten der Bereitschaftspolizei angegriffen und gewürgt haben sollte. Im Laufe des Prozesses belegten jedoch mehrere Zeugen und auch ein Video, das mit einem Handy aufgenommen worden war, dass nicht die Beschuldigte einen Polizisten angegriffen, sondern umgekehrt dieser die Beschuldigte mehrfach und ohne ersichtlichen Grund ins Gesicht geschlagen hatte. Als Anne H. aus dem Polizeigewahrsam entlassen wurde, begab sie sich sofort ins Krankenhaus. Ihre Nase war gebrochen, vier Zähne waren abgesplittert, beide Augen wiesen Schwellungen und Hämatome auf.

Richter und Staatsanwaltschaft zeigten sich damals entsetzt von den Vorkommnissen und beschlossen, das bereits eingestellte Verfahren gegen den Polizisten Marcus von P. wieder aufzurollen. An drei Verhandlungstagen zeigte sich jetzt das bekannte Bild. Zeuge um Zeuge wurde geladen, doch niemand, nicht einmal die eigenen Kollegen, entlasteten von P., während mehrere Zeugen ihn schwer belasteten. Nicht ein einziger Zeuge konnte bestätigen, dass Anne H. den Angeklagten gewürgt hatte. Seine Schläge wurden jedoch bezeugt und schließlich auch vom Angeklagten selbst in einer schriftlichen Erklärung zugegeben.

Auf dieser Grundlage wurde gestern der Polizeikommissar Marcus von P. wegen vorsätzlicher Körperverletzung im Amt zu zehn Monaten Haft verurteilt, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung. Damit folgte das Gericht in vollem Umfang dem Antrag der Staatsanwältin. Alle Versuche der Verteidigung, Zweifel zu säen oder das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße einstellen zu lassen, schlugen fehl. Auch die späte Entschuldigung des Angeklagten nützte wenig. Für Sven Richwin, den Anwalt von Anne H., die bei dem Prozess als Nebenklägerin aufgetreten war, hat das Urteil Symbolcharakter: »Es ist wichtig, dass überhaupt mal ein Polizist für so etwas verurteilt wird. «

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