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Zeitgleiche Schmelze in Nord und Süd

Studie zeigt: Östliche Antarktis ist instabiler als angenommen

  • Ingrid Wenzl
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine neue Studie belegt, dass auch die Antarktis bereits am Ende der letzten Eiszeit abzuschmelzen begann. Dies weist auf einen stärkeren Einfluss des Weltklimas auf den südlichsten Kontinent hin.

Anders als bislang angenommen ging das antarktische Eis nach Ende der letzten Eiszeit vor rund 19 000 Jahren ungefähr zeitgleich mit den Eismassen der nördlichen Hemisphäre zurück. Zu diesem Ergebnis kamen deutsche und US-amerikanische Forscher in einer Studie, die kürzlich im Fachjournal »Science« (Bd. 334, S. 1265) erschien. »Der Rückzug der antarktischen Eisschilde begann somit fast 5000 Jahre früher als bisher angenommen«, berichtet der Erstautor der Studie Michael Weber von der Universität Köln. Dafür griffen die Forscher auf bereits bestehende Datenbanken zurück und untersuchten zudem Sedimentkerne, die sie in 3000 Meter Tiefe am Kontinentalhang der östlichen Antarktis im Weddellmeer entnommen hatten, wo die Kalkpanzer von Mikroorganismen eine sichere Datierung ermöglichen.

»Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die Antarktis klimatisch nicht so isoliert ist wie bisher angenommen«, erklärt Gerhard Kuhn vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven (AWI). »Wir müssen jetzt davon ausgehen, dass die großen Eisschilde in der Arktis und Antarktis zeitlich enger aneinander gekoppelt auf Klimaveränderungen reagieren als bisher gedacht.« Besonders die Tatsache, dass gerade Teile des ostantarktischen Eisschildes früher und intensiver abschmolzen als die anderen antarktischen Eisschilde, überraschte die Wissenschaftler, denn bislang hatte die Ostantarktis klimatisch als besonders beständig gegolten. Auch im Zuge des gegenwärtigen Klimawandels schmilzt vor allem das Eis der Antarktischen Halbinsel und der Westantarktis, während der Eispanzer im Osten sich hält oder örtlich sogar wächst. »Die neuen Erkenntnisse belegen eine Instabilität der Ostantarktis, deren Ursachen wir allerdings noch nicht genau verstehen und deren künftige Entwicklung sich noch nicht so leicht prognostizieren lässt«, resümiert Weber. Vielmehr handele es sich um den Anstoß für weitere Forschungsprojekte.

Die Wissenschaftler vermuten, dass vor 19 000 Jahren das Ansteigen des globalen Meeresspiegels und Änderungen der Tiefenwasserzirkulation im Atlantischen Ozean die Auslöser für das Abschmelzen des antarktischen Eisschildes waren. Dadurch gelangte wärmeres Wasser an den Rand des antarktischen Kontinents. Dies könnte sich im gegenwärtigen Klimawandel wiederholen. »Der Befund, dass das größte noch existierende Eisschild der Erde während des letzten natürlichen Meeresspiegelanstiegs deutlich instabiler war als bisher angenommen, deutet darauf hin, dass auch Prognosen für den künftigen Meeresspiegelanstieg nach oben korrigiert werden müssen«, so Weber. Eine ambitionierte Klimapolitik wird damit immer dringlicher, auch wenn sich derzeit das Gegenteil abzeichnet.

Lexikon

Das Weddellmeer ist eines der großen Randmeere des Südlichen Ozeans. Es wird im Westen von der Antarktischen Halbinsel begrenzt und im Osten von dem zur Ostantarktis gehörenden Coatsland und Teilen von Königin-Maud-Land. Im Norden endet es am unterseeischen Indisch-Atlantischen Rücken. Der gesamte Südteil ist ganzjährig vom Filchner- und Ronne-Schelfeis bedeckt, unter dem sich auch mehrere große Inseln befinden. Insgesamt bedeckt das Weddellmeer eine Fläche von 2,8 Millionen Quadratkilometern.

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