Protest gegen Abschiebehaft

500 Anhänger antirassistischer Gruppen zogen zum Gewahrsam Köpenick

  • Paul Liszt
  • Lesedauer: 3 Min.

Gegen Rassismus und Abschiebehaft richtete sich am späten Samstagnachmittag eine Demonstration von nach Veranstalterangaben etwa 500 Menschen vom S-Bahnhof Spindlersfeld zum Abschiebungsgefängnis in Köpenick, Grünauer Straße. Sie waren einem Aufruf von Flüchtlingsinitiativen und antirassistischen Gruppen gefolgt, die mit der Demonstration gegen die aus ihrer Sicht unhaltbaren Zustände im 1994 eingerichteten Gefängnis und gegen die Errichtung eines neuen Abschiebegewahrsams im Transitbereich des in Bau befindlichen Flughafens BBI in Schönefeld protestieren wollten.

Im Abschiebegefängnis in Köpenick werden Menschen, die keine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland besitzen, bis zur Abschiebung in ihre vermuteten Herkunftsländer inhaftiert. Für ihre Inhaftierung ohne vorheriges Gerichtsverfahren zahlen sie täglich 65,26 Euro. Die Haftbedingungen werden von Flüchtlingsaktivisten und antirassistischen Initiativen kritisiert. Insbesondere die medizinische Versorgung und fehlende Beschäftigungsangebote werden von Beobachtern als unzureichend bemängelt.

Regelmäßig kommt es unter den Insassen der 214 Haftplätze umfassenden Einrichtungen zu Selbstverletzungen bis hin zu Selbstmordversuchen. Allein in der letzen Woche mussten in zwei Fällen selbst zugefügte Verletzungen medizinisch versorgt werden. Als die Teilnehmer gegen 16 Uhr mit ihrer Demonstration begannen, trugen sie an der Spitze ein Transparent mit der Forderung »Abschiebeknast Grünau schließen !«.

Die zweite Forderung auf dem Transparent »Keine Abschiebehaft auf dem Flughafen BBI« bezieht sich auf das von der Öffentlichkeit kaum beachtete Bauprojekt auf dem künftigen Großflughafen. Der Bund und die Länder Berlin und Brandenburg lassen im dem Geltungsbereich bundesdeutscher Gesetzgebung entzogenem Transitbereich ein Abschiebegefängnis für 32 Häftlinge errichten. Betreiben soll das Gefängnis das im Berliner Stadtteil Hohenschönhausen ansässige private Sicherheitsunternehmen »B.O.S.S. Sicherheitsdienste und Service GmbH.« Zu den weiteren Kunden gehören nach Unternehmensangaben unter anderen die Wohnungsbaugesellschaft GEBEWO und die Berliner Mercedes-Niederlassungen. »Rechtlich fragwürdig und menschenrechtlich ein Skandal«, kritisierten die Veranstalter. Am Donnerstag hatten sie bei einer Kundgebung vor dem Roten Rathaus einem Senatsvertreter eine Petition gegen das Projekt überreicht.

In Redebeiträgen prangerten die veranstaltenden Gruppen rassistische Zustände in der Gesetzgebung und im Alltag an. Ohne ein von Rassismus geprägtes Klima, sind sie überzeugt, wäre auch Gewalt von Neonazis gegen Migranten nicht im selben Maße möglich. Als bei einer Zwischenkundgebung an der Kreuzung Grünauer Straße/Glienicker Straße auf den berlinweit höchsten Stimmanteil für die NPD in dem Gebiet hingewiesen wurde, störten kurzzeitig alkoholisierte Anhänger eines Köpenicker Fußballclubs die Demonstration.

In der Grünauer Straße 140 stoppten die Demonstranten für etwa eine Stunde bei Suppe und heißem Tee vor dem Gefängnis. Mehrsprachige Grußbotschaften wurden verlesen und Luftballons fliegen gelassen. Der Sänger von »Irie Revoltes« unterhielt die Teilnehmer vor ihrer Rückkehr zum S-Bahnhof mit einem Live-Auftritt. »Kein Mensch ist illegal«, heißt es in einem Lied der Gruppe.

www.initiative-gegen-abschiebehaft.de

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