Gutes und schlechtes Holz

Christian Bergs Kindermusical »Pinocchio« am Kudamm

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 3 Min.

Für Kinder ist nicht entscheidend, ob auf der Bühne alles prunkvoll und perfekt ist. Wichtiger ist für sie, dass man sich ihnen zuwendet und sie ernst nimmt. Das Musical »Pinocchio« erfüllt diese Bedingung von Beginn an. Also fühlen sich die Zuschauer ab vier Jahren in der Komödie am Kurfürstendamm gleich angesprochen und wohl.

Christian Berg veränderte dafür die alte, 1905 erstmals in deutscher Sprache erschienene Geschichte des Italieners Carlo Collodi etwas, um die Handlung zu straffen, und führt selbst Regie. Erhalten geblieben ist in dem Musical, das er mit fünf Darstellern inszenierte, der klare Unterschied zwischen dem Guten und dem Bösen. Den Anspruch Erwachsener an den bedingungslosen Gehorsam von Kindern entschärfte er auch zeitgemäß. Das ist gut.

Berg weiß, was er von so jungen Zuschauern erwarten kann. Er unterfordert sie nicht. Denn erstaunlich ist das gesunde Misstrauen, das Kinder in diesem Alter schon mitbringen. Sie werden gar nicht müde in ihren Versuchen, den aus gutem Pinienholz geschnitzten Pinocchio, der ein richtiger Menschenjunge werden will, lauthals vor Lug und Trug zu warnen. Zusätzlich vorm Lügen und Angeben, das seine Nase übel wachsen lässt.

Vergeblich zumeist, denn sonst nähme die Geschichte auf der Bühne ja nicht ihren Lauf. Aber die jungen Zuschauer wissen schon, dass auf einem Feld vergrabenes Geld sich nicht von allein vermehrt. Auch dass des einen Gewinn des anderen Verlust ist, das haben sie bereits durchschaut. Man fragt sich glatt, wo dieses frühe Wissen mit den Jahren so bleibt.

Im Musical denkt sich der schlaue Fuchs (Lisa Huck) ständig üble Tricks aus, um aus Pinocchios Naivität seinen Nutzen zu ziehen. Für die niederen Arbeiten hat er den etwas dämlichen Kater im Schlepptau (Marie-Therese Schwinn). Dessen ulkige Anwandlungen sorgen für eine Menge Spaß. Pia Klausch gibt die gute Fee, die immer alles in Ordnung bringen muss. Von Gepetto, dem alten Holzschnitzer und liebendem Vater, verwandelt sich Rafael Hilpert in einen Kutscher, einen Puppentheaterdirektor und wieder zurück. Schön frech gibt sich die von allen am besten besetzte Barbara Felsenstein als Pinocchio.

Die eingängige und gerade in der richtigen Portion eingesetzte flotte Musik schrieb Konstantin Wecker. Allerdings sind die musikalischen Arrangements teilweise nicht für die Stimmlage der hier tätigen Darsteller gemacht. Und das Pinocchio-Lied wird so schnell gesungen, dass niemand den Text verstehen kann.

Die gute Laune der Kinder beeinträchtigte das nicht. Für sie zählte das Gesamte, das sie gut und gern samt Pause knapp zwei Stunden aushielten. So nahmen sie auch einige völlig unpassende und sich devot, vermeintlich lokalpatriotisch an Erwachsene richtende Bemerkungen auf der Kudamm-Bühne gar nicht wahr, die in diesem Kinder-Musical reineweg nix zu suchen haben. Der komme wohl aus Griechenland, wird einmal über Pinocchio gesagt, weil er keinen Euro in der Tasche hat. Na, sehr witzig. Ohnehin ist später nur noch von Goldstücken die Rede wie sich das für eine so alte Geschichte gehört.

Und wie komisch finden wir denn das? Auf der Bühne wird von großem Reichtum geträumt und von Reisen, die man dann gern unternehmen würde. Dann könne man sich prompt nach Marzahn aufmachen, heißt es. Da wollte man doch schon immer mal hin. Reichlich überheblich. Oder?

Dankeschön. Einhundertdreitausendfünfhundertundzweimal.

Bis 30.12., Komödie am Kurfürstendamm

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