»Die Konflikte intensivieren sich«

In Peru protestieren tausende Menschen gegen ein geplantes Bergbauprojekt

  • Lesedauer: 3 Min.
In Peru eskaliert der Streit um ein geplantes Bergbauprojekt. In der vergangenen Woche rief Präsident Ollanta Humala einen Notstand für 60 Tage in mehreren Provinzen im Norden aus. Die Versammlungsfreiheit ist eingeschränkt, das Militär erhält weitreichende Befugnisse.
war bis zum 28. November Vize-Umweltminister im Kabinett von Perus Staatschef Ollanta Humala. José de Echave ist Wirtschaftswissenschaftler, war zwischenzeitlich Berater der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und wird auch weiterhin im Bereich Bergbau arbeiten. Mit ihm sprach Knut Henkel.
war bis zum 28. November Vize-Umweltminister im Kabinett von Perus Staatschef Ollanta Humala. José de Echave ist Wirtschaftswissenschaftler, war zwischenzeitlich Berater der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und wird auch weiterhin im Bereich Bergbau arbeiten. Mit ihm sprach Knut Henkel.

nd: Herr de Echave, die Regierung hat in Cajamarca den Ausnahmezustand verhängt. Ist das ein probates Mittel, um die breiten Proteste der Bevölkerung gegen die Ausweitung der Bergbauaktivitäten durch die Yanacocha Mine zu unterbinden?
de Echave: Nein, die Verhängung des Ausnahmezustands hilft sicherlich genauso wenig wie kürzlich die vorübergehende Festnahme der Oppositionsführer. Das sind keine angemessenen Reaktionen, aber ich hoffe sehr, dass sich die Dinge wieder in vernünftige Bahnen lenken lassen. Für die Regierung ist das allerdings eine enorme Herausforderung, denn die Bevölkerung will eine definitive Annullierung des Bergbauprojekts Conga. Gleichzeitig steht die Regierung unter großem Druck, weil sie eine ganze Reihe von Freihandelsabkommen unterzeichnet hat, die Direktinvestitionen schützen. Sollte es zu einer Annullierung des Bergbauprojekts kommen, dann besteht das Risiko, dass Newmont Mining, eines der Mitglieder des Konsortiums, das die Goldmine betreibt, Klage einreicht und Entschädigungen im Wert von mehreren Milliarden US-Dollar verlangt. Das ist ein sehr pikantes Thema.

Den Konflikt in Cajamarca, um den Ausbau des Bergwerks und die Wasserversorgung der Bevölkerung gibt es bereits seit Jahren. Hat die Regierung die Situation unterschätzt?
Richtig, das sind keine neuen Konflikte, sie begleiten uns schon länger. Allerdings schreitet der Ausbau des Bergbaus voran und die Konflikte nehmen rein zahlenmäßig, aber auch in der Intensität zu. Die Leute nehmen den Bergbau als Bedrohung wahr und er nimmt immer größere Flächen des Landes in Besitz. Der Bergbau konkurriert mit der Bevölkerung ganz direkt um den Boden, die Anbauflächen, das Wasser. Von der Regierung Humala hatte man allerdings erwartet, dass sie mit dieser Problematik anders umgehen würde.

Es hat den Anschein, dass die Regierung keine neue Strategie entwickelt hat. Gibt sie dem Druck der Bergbau-Lobby nach?
Nein, es gibt keine Strategie. Der Staat ist in den Konfliktregionen oft nicht präsent, er wird nicht als neutral angesehen, er verteidigt nicht die Rechte der Bevölkerung, und genau das ist die Basis des Konflikts. Daran hat sich auch unter der neuen Regierung nichts geändert, und das ist die Krux.

So wird die Regierung der immensen Erwartungshaltung eines Neuanfangs aber nicht gerecht ...
Genau, aber es ist ja nun auch nicht alles verloren. Es gibt durchaus Optionen den Kurs zu korrigieren.

Aber die scheinen nicht gerade populär, sonst wären Sie doch kaum am 28. November zurückgetreten?
Ich bin zurückgetreten, weil mir ein Konzept fehlt, um Konflikte wie in Cajamarca zu lösen, und weil ich keine Perspektiven sah, um - wie geplant - ein starkes Umweltministerium aufzubauen. Ausschlaggebend dafür war die Entscheidung, wichtige Funktionen des Umweltministeriums auszulagern und eine neue Behörde einzurichten, die dem Ministerrat unterstellt sein sollte. Dort sollten die zentralen Wasserfragen geklärt werden, die Umweltgutachten und einiges mehr erstellt werden. De facto wäre so ein zweites Umweltministerium entstanden - da bin ich zurückgetreten. Man verpasst in Peru die Chance, eine echte Umweltinstitution zu gründen, die eben auch Entscheidungsbefugnisse hat.

Hat es einen Rechtsruck in Peru gegeben, wie auch behauptet wird?
Der Bergbau ist ein wesentlicher Einflussfaktor in Peru, aber die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen ist auch in unseren Nachbarländern wie Bolivien, Brasilien oder Venezuela die Basis, um Entwicklungsprogramme anzuschieben. Wir alle leben von der Förderung von Rohstoffen und daher brauchen wir starke Umweltministerien, um die Förderung zu regulieren - im Interesse der Menschen und der Umwelt. Wir drohen derzeit das Gleichgewicht zu verlieren zwischen Förderung, Ressourcenschutz und den Rechten der Bevölkerung - nicht nur in Peru, sondern in vielen Staaten Lateinamerikas. In Peru ist es dringend Zeit, einen neuen und ernsthaften Dialog anzuschieben - nicht nur im Fall des Projekts Conga, sondern auch darüber hinaus.

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