nd-aktuell.de / 13.12.2011 / Brandenburg / Seite 12

Mit Weihnachtshumor und Spielerfuror

»Ox & Esel« veranstalten im Stadtbad Steglitz »Eine Art Krippenspiel«

Volkmar Draeger

Mittelalterliche Darstellungen zeigen es: Im Stall zu Bethlehem waren sie sehr wohl zugegen, der Ochse und der Esel. Malerisch gruppieren sie sich dort mit Maria und Josef um das Jesuskind. Die Geschichte kennt man ausgiebig. Was aber, wenn die Eltern, aus welchen Gründen immer, verloren gehen und den beiden Tieren die Obhut für das Baby anheimfällt?

Das ist so absurd, dass es den Stoff für ein Theaterstück abgibt. Norbert Ebel, Jahrgang 1958, aus Gelsenkirchen, Student an der Freien Universität und Regieassistent auch an der Vaganten Bühne, hat es verfasst. Und seit der Uraufführung 1998 in Marburg wird es landauf, landab in der Vorweihnacht gespielt. Ein neuer Klassiker, der es sogar bis nach Brasilien geschafft hat. Gegenwärtig steht er auf dem Programm im Stadtbad Steglitz. Stefan Neugebauers clubtheater-berlin präsentiert es in der Alten Näherei, die man wie stets über Wendeltreppe und enge Gänge erreicht. Ein Nachtwächter mit Petroleumfunzel leuchtet heim, kriecht dann in ein Gehege, aus dem heraus er eine Stunde lang unsichtbar die Stimme des greinenden Kindes gibt.

Denn »Ox & Esel. Eine Art Krippenspiel« handelt im Stall, wie ihn Stroh und Ballenbündel imitieren. Unter Pappmaske kehrt der Ox zurück, wütet gegen des Esels Unpünktlichkeit, wird gleich noch ärgerlicher, als er fressen will: Auf seinem Heu lagert ein Wickelkind. Der Esel musste ei ne gefallene Alte versorgen, weil der Arzt zum Wintersport auf den Golanhöhen weilt. Dann aber wundert auch er sich, als plötzlich das Licht heller wird. Als wacher Esel hat er so einiges gehört, vom angeblichen Jesuskind, einem Gesetz von Roms Augustus zur Menschenzählung, weshalb jeder nach Hause drängt. Vielleicht ja auch Maria und Josef, die unbekannten Eltern, und weil schon alles ausgebucht war, haben sie ihr Kind kurz im Stall niedergelegt.

Ox glaubt freilich nichts davon, ist nur zornig, weil er weder fressen kann noch einen himmlischen Glanz sichtet: Das Balg muss weg! Vergraben, aus dem Fenster werfen, in den Kamin, in eine Möhre verwandeln, die kann man wenigstens verzehren. Der Esel aber ist bereits verzaubert, sucht das Kind zu verstecken. Im Dorf sind alle beschäftigt, und das Baby greint. Bloß auf dem Heu beruhigt es sich, und als Ox es mit der Decke ersticken will, genießt es die Wärme. Und hat Hunger. Heu oder Disteln? Nein, Tierkinder trinken Milch. Gerade noch kann der Esel sie aus dem Nachbarstall besorgen, da bricht Lärm los.

Soldaten mit Messer und eine ausländische Staatsdelegation sind auf Kindssuche, die einen, um es König Herodes zum Verspeisen zu bringen, die anderen, drei Könige, um es zu beschenken. Alle denken nur an sich, jammert der Esel; der Ox hat heimlich Heu übriggelassen, aber: Ein sabberndes, schmatzendes Baby soll der Judenkönig sein? Als der Soldat klopft, um das Kind zu holen, kehrt sich die Situation. Im Ox erwacht ein starkes Gefühl von Gerechtigkeit: Bis die Verantwortlichen gefunden sind, bleibt das Kind im Stall. Mit Hörnern und Hinterhufen vertreibt er die Bedränger, fügt sich in die Rolle der Mutter, madonnenhaft mit Decke überm Kopf, leckt das Baby trocken. Da will störrisch der Esel nicht mehr, darf aber, stolz, stark, hart im Nehmen, Vater sein. Weihnachtslieder singen sie ganz zart dem Kleinen. Wenn nun aber in jedem Stall solch ein Kind auftaucht, alle Jesusknabe sein können und wir Tiere uns um sie kümmern müssen, zweifelt der Esel noch, schläft dann doch friedlich ein. Wir tun es gemeinsam, hatten Ox und Esel sich zuvor geeinigt.

Auch aus der Besetzung mit zwei Männern bezieht das etwas andre Krippenspiel seinen besonderen Reiz. Die anfangs widersetzlich und erbost sind, wandeln sich zu liebenden Ersatzeltern, weil die Menschen ja anderweitig beschäftigt sind. Das erhebt Ebels Stück in den Rang einer witzigen Fabel der Neuzeit. Der Ort im ersten Geschoss des Stadtbads macht die Bedrängnis eines Stalls fühlbar, Neugebauers Kinderwimmern setzt unter Aktionsdruck. In Friedhelm Ptok als schon reifem, nach des Tages Mühen lagerbedürftigem Ox und dem quirlig nervösen, reichlich verängstigten Esel des Sigurd Bemme hat er zwei prädestinierte Protagonisten. Wie ein kraftstrotzender Rammbock der eine, dünn und vorsichtig der andere. Beide füllen den nachdenklichen Spaß mit all ihrer Spielfreude und erfüllen den engen Raum mit der Botschaft des Stücks: Was können Kinder für die Rangeleien der Erwachsenen?

Wieder am 16.-18., 21. u. 23.12., Stadtbad Steglitz, Bergstr. 90, Telefon 54 77 31 18.