nd-aktuell.de / 14.12.2011 / Politik / Seite 12

Festung Kringelkrugweg

In Norderstedt beschloss ein Laubenpieperverein eine Migrantenquote für neue Pächter

Folke Havekost, Hamburg
Nur noch 12,6 Prozent der Parzellen will der Kleingartenverein Kringelkrugweg in Norderstedt (Schleswig-Holstein) künftig an Pächter mit migrantischem Hintergrund vergeben. Ein Beschluss, der für viel Empörung sorgte und nun überprüft werden soll.

Harksheide, einer von vier Ortsteilen der holsteinischen 70 000-Einwohner-Stadt Norderstedt: Nebenan liegt das Übungsgelände des Norderstedter Retriever Clubs. In der Umgebung warnen Schilder vor freilaufenden Hunden. Die Ortsgruppe Norderstedt des Vereins für Deutsche Schäferhunde ist nicht weit entfernt. Zu zweifelhafter Berühmtheit ist allerdings ein anderer Verein gelangt: Der 73 Parzellen umfassende Kleingartenverein Harksheide Kringelkrugweg.

Am 30. Oktober beschloss der Verein eine Migrantenquote: Künftig sollten nur noch 12,6 Prozent der Parzellen an Pächter mit migrantischem Hintergrund vergeben werden. Die Migranten würden Gemüse züchten statt Ziergärten anzulegen, sich von der Vereinsarbeit abkapseln und bisweilen laute Feste feiern, heißt es. Es sind Vorwürfe der Fremdheit, die ein Abweichen vom Heilsversprechen vorgestellter Einheitlichkeit bemängeln.

Elf von 70 waren dagegen

Der polnisch-britische Soziologe Zygmunt Bauman hat die Kultur der Moderne in seinen Betrachtungen zur Dialektik der Ordnung als eine gartenähnliche bezeichnet. Die »Vision vom Großen Garten« führe zum Antrieb, die Welt »mit gärtnerischer Wachsamkeit vor dem Sturz ins Chaos zu bewahren« und darauf zu achten, »dass die Klarheit der gesetzlichen Ordnung nicht durch Fremde, soziale Harmonie nicht durch aufsässige Klassen und die Einheit eines Volkes nicht durch fremde Rassen gefährdet würde«.

Mangelnde Sorgfalt lässt sich den Vereinsmitgliedern kaum vorwerfen. Auf ihrer Sitzung diskutierten die Kleingärtner verschiedene Quotenmodelle, angelehnt am migrantischen Bevölkerungsanteil im nahe gelegenen Hamburg (27 Prozent), in Deutschland (19,6 Prozent) und in Schleswig-Holstein (12,6 Prozent). Nicht alle Teilnehmer waren mit dem Kurs einverstanden. Ein Mitglied »hielt dem Vorsitzenden vor: Wir hatten schon mal einen Führer, allerdings mit Bärtchen«, vermerkt das Sitzungsprotokoll. Auch der Vorwurf »Nazi« soll gefallen sein.

Elf der 70 Anwesenden stimmten schließlich gegen eine Quotierung. Die Mehrheit von 41 Mitgliedern beschloss allerdings die schärfste Quote. Und sie legte zudem fest, dass von den entsprechenden Parzellen - es sind neun - maximal 25 Prozent an Pächter »türkisch/arabischer« sowie ebenfalls höchstens 25 Prozent an Bewerber »ost-europäischer Herkunft« vergeben werden sollten. Derzeit fallen 13 der 73 Pächter unter die Rubrik »migrantischer Hintergrund«, die reale Quote liegt somit knapp über 18 Prozent. Als »unmöglich« bezeichnet die Vorgänge eine Anwohnerin, die durch die Schneelandschaft am Kleingartenverein spazieren geht. Sie sei »überrascht, dass es so etwas in der Nachbarschaft gibt, damit rechnet man ja nicht«. Auch von offizieller Seite ist die Empörung groß. Norderstedts Bürgermeister Hans-Joachim Grote forderte die Kleingärtner auf, ihren Beschluss »ganz kurzfristig« zu revidieren. Andernfalls käme eine außerordentliche Kündigung des Pachtvertrags in Frage, drohte der CDU-Politiker.

Beifall von Rassisten

Sämtliche Parteien in der Stadtvertretung schlossen sich der Forderung an. »Wir müssen immer wieder auf die Gefahren von Rassismus hinweisen«, betonte Miro Berbig, Vorsitzender der vierköpfigen LINKEN-Fraktion. Der schleswig-holsteinische Landesverband Gartenfreunde zeigte sich »sehr erschrocken« vom Abstimmungsergebnis. Solidaritätsadressen erfuhren die Kleingärtner indessen von rassistischen und faschistischen Gruppierungen. Dies sei »das allerletzte, was wir wollten«, beteuerte die Frau des Vereinsvorsitzenden Gerd Kühl gegenüber Spiegel Online. Der Vorstand ist nach der massiven Kritik um Schadensbegrenzung bemüht. Für den Donnerstag ist eine neue Sitzung des Vereins angesetzt. Dabei wird es nicht um den geplanten Großbackofen oder die Anlage einer Boccia-Bahn gehen, sondern um die Rücknahme des Quotenbeschlusses.

»Der große Welt-Garten ist in viele kleine, separat bewirtschaftete Parzellen zerfallen«, drückte der Soziologe Bauman seine Hoffnung aus, die Dynamik der Ausgrenzung verlaufe in der fortgeschrittenen Moderne schwächer: »Angesichts der zahllosen kundigen und rührigen Gärtner scheint für den obersten Herrn der Gärtner, den Gärtner aller Gärtner, kein Platz mehr zu sein.«

Vielleicht auch nicht in Norderstedt.