nd-aktuell.de / 14.12.2011 / Brandenburg / Seite 12

Schach statt Mathe

Beim Grand Prix in Falkensee trifft sich der Nachwuchs und Förderer berichten von ihren Plänen

Jenny Becker
Denken bis der Kopf raucht.
Denken bis der Kopf raucht.

Eben noch tobten die Kinder mit quietschenden Schuhen durch das Foyer der Diesterweg-Grundschule in Falkensee. Dann ist es plötzlich still. Nur das regelmäßige Klacken der Schachuhren ist zu hören. 80 Kinder sitzen konzentriert an den Tischen, die zu einem großen Kreis zusammengestellt sind. Ein Turnier des Schach Grand Prix hat begonnen.

Die beiden Organisatoren, Rolf Trenner und Carsten Stelter, sind zufrieden. Seit sechs Jahren veranstalten sie die Turnierreihe für Schüler aus Berlin und Brandenburg, alle zwei Monate findet ein Wettkampf statt. Austragungsort ist jeweils eine andere Schule. Stelter ist Leiter des Schachvereins »SC Caissa Falkensee«, Trenner leitet die »Schachschule Trenner« mit Sitz in Falkensee und Potsdam. Beide sind stolz auf ihre Kooperation. »So eine Symbiose zwischen Verein und privater Schule gibt es nicht oft«, sagt der 38-jährige Stelter. Über seinem Pullover trägt er ein rotes T-Shirt, auf das die Turnierdaten bis Mitte 2012 gedruckt sind. An 40 brandenburgischen Schulen haben er und Trenner bereits Schach-AGs initiiert. Bei den Turnieren machen aber auch Kinder mit, die nicht organisiert spielen, wie der achtjährige Till, der Schach von seinem Opa gelernt hat und oft auf seinem iPhone übt.

Im Verlauf der einzelnen Runden schwillt der Geräuschpegel im Saal wieder an. Wer seine Partie beendet hat, gibt dem Gegner die Hand - und spielt oder berichtet den am Rand sitzenden Eltern und Großeltern vom Ergebnis. Doch mit jeder neuen Runde kehrt abrupt Ruhe ein. Die Aufmerksamkeit gilt dann ganz den Bewegungen der Figuren.

»Das Interesse am Schach kommt langsam wieder«, sagt der 50-jährige Trenner. Zwar sei längst nicht der Stand aus DDR-Zeiten erreicht, als es an jeder Schule eine AG gegeben habe, doch »seit der PISA-Studie wird nach neuen, alten Wegen gesucht, um das Lernen zu verbessern«.

Trenner will im nächsten Schuljahr das Projekt »Schach statt Mathe« starten. An zwei Potsdamer Grundschulen soll eine Stunde pro Woche Schach unterrichtet werden, dafür würde eine Mathestunde entfallen. Der »Schachclub Empor Potsdam 1952 e.V.«, bei dem Trenner Mitglied ist, beantragt derzeit beim Jobcenter einen Bürgerarbeitsplatz - den »Schulschachkoordinator für Potsdam«.

Vorbild ist die Deutsche Schulschachstiftung, die an einer Grundschule in Trier einen Feldversuch unternahm und in der zusammenfassenden Studie bemerkte: Schach fördere die Konzentration, Intelligenz, Leistungsmotivation und Sozialkompetenz.

Ähnliche Erfahrungen hat Manfred Zager gemacht, der den Kindern beim Grand-Prix-Turnier als Schiedsrichter über die Schultern schaut. Er unterrichtet Schach an der Privatschule »Leonardo da Vinci Campus« in Nauen. Bis zur 4. Klasse ist Schach dort ein sogenanntes Kreativpflichtfach. »Viele Eltern sagen, dass ihr Kind ruhiger geworden ist, seit es Schach spielt, oder sich mehr traut.«

Immerhin kann man hier leichter als in mancher Sportart gegen ältere Kinder gewinnen - oder gar gegen Erwachsene. Die setzen sich beim Turnier oft an die freien Plätze und spielen gegen ihre Kinder. Von den Schokoladenweihnachtsmännern, die am Ende neben eigens angefertigten Urkunden an die Teilnehmer verteilt werden, bekommen sie trotzdem nichts ab.

Stelter und Trenner geht es vor allem um die Nachwuchsförderung. Von den 35 Mitgliedern des SC Caissa Falkensee sind 25 Kinder, an Trenners Schule lernen etwa 300 Kinder. Beider Blick geht nun in Richtung Leistungssport. Sie wollen den Leistungsstützpunkt, der sich derzeit in Frankfurt (Oder) befindet, in die Gegend holen, nach Potsdam oder Falkensee. Möglichst schon 2014. Dort könnten diejenigen trainiert werden, die mal in die Profiliga einsteigen.

Bei allen hochfliegenden Plänen vergessen beide aber nicht, worauf es eigentlich ankommt. »Wir wollen Kinder sinnvoll beschäftigen, ihnen ein soziales Umfeld schaffen und sportliche Anreize bieten«, sagt Stelter.