Drogen und ein Fluch

Kolumbiens Traditionsverein América de Cali steigt erstmals ab

  • Andreas Knobloch
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Niedergang eines Traditionsvereins bewegt den kolumbianischen Fußball. Am Wochenende stieg der 13-fache Meister América de Cali zum ersten Mal in seiner 84-jährigen Geschichte aus der ersten Liga ab.

Es konnte nicht anders kommen. Es musste ein Elfmeterschießen sein, das América de Cali den Abstieg bescheren würde. Der 13-fache kolumbianische Meister muss erstmals die 1. Liga verlassen. In der Relegation unterlag er den Außenseitern von Patriotas de Tunja im Duell vom Punkt. Hin- und Rückspiel hatten zuvor 1:1-Unentschieden geendet.

Bei der Entscheidung avancierte Patriotas-Torhüter Carlos Chávez zum Helden, als er zwei Elfmeter hielt und den letzten selbst verwandelte. Mit trauriger Miene verzichtete er danach auf jeden Jubel. Chávez hat das Fußballspielen bei América gelernt und dort sein Profidebüt gegeben. Auch dem Trainer von Patriotas, Miguel Angel Príncipe, war nicht nach Feiern zumute: »Ich bin glücklich für meine Mannschaft, aber es tut mir weh zu sehen, was mit América passiert, ich habe für América 1989 gespielt. Aber das América von heute ist nicht dasselbe jener Epoche.«

Wie schon beim Abstieg von River Plate im vergangenen Jahr in Argentinien stürmten aufgebrachte Fans das Spielfeld in Cali. Die Polizei konnte sie nur mit Mühe davon abhalten, in die Umkleiden einzudringen. Später lieferten sich Américas Anhänger Straßenschlachten mit der Polizei. Autos brannten und zahlreiche Läden wurden beschädigt. Die Bilanz: 16 Verletzte, darunter sieben Polizisten, und Dutzende Festnahmen.

Die sportliche Misere begann mit Fehlern im Klubmanagement. Wegen ausstehender Gehaltszahlungen haben viele ausländische Stars den Verein verlassen. Zudem taucht América auf einer schwarzen Liste auf, der sogenannten Clinton-Liste, die Personen und Unternehmen führt, die im Zusammenhang mit Drogengeschäften stehen. In der Vergangenheit war der Klub von den Brüdern Gilberto und Miguel Rodríguez geführt worden, die mittlerweile lange Haftstrafen in den USA wegen Drogenhandels absitzen.

Mancher Fan sieht jedoch eher die Fußballgötter am Werk. Denn die Geschichte Américas ist voll von dramatisch verlorenen Elfmeterschießen in wichtigen Spielen. Es scheint mal wieder ein Fluch zu sein - wie der von »Garabato«. So wurde Benjamín Urrea gerufen, einer der Gründer des Klubs, der - weil nicht einverstanden mit der Teilnahme des Vereins an professionellen Wettbewerben - América mit einem Fluch belegte: Die Mannschaft würde niemals eine Meisterschaft gewinnen.

Es dauerte 31 lange Jahre, mit unzähligen Messen und Bittstellungen im Stadion Pascual Guerrero, bis América 1979 seinen ersten Landesmeistertitel gewann. Zwölf weitere und ein internationaler Pokal folgten. In den 80er Jahren waren die »Roten Teufel« aus Cali eine der besten Mannschaften des Kontinents, als sie fünfmal hintereinander die kolumbianische Meisterschaft gewannen und dreimal hintereinander ins Endspiel der Copa Libertadores einzogen.

Doch nachdem Garabatos Fluch besiegt war, tauchte ein neuer auf: das Elfmeterschießen. Beim ersten Mal versagte 1985 Enrique de Ávila, Rekordtorschütze des Vereins, vom Punkt und die Argentinos Juniors schnappten den »Roten Teufeln« den Libertadores-Titel weg. Im Halbfinale desselben Wettbewerbs unterlag man 1992 Newell’s Old Boys mit 10:11 vom Elfmeterpunkt. Drei Jahre später verbaute die Penalty-Niederlage gegen Atlético Mineiro den Einzug ins Finale der Copa Conmebol. Und 1999 verlor América die kolumbianische Meisterschaft gegen Atlético Nacional - natürlich nach Elfmeterschießen. Immerhin: Der einzige internationale Titel, die Copa Merconorte 1999, wurde im Elferduell gegen Santa Fe errungen. Spätestens seit dem vergangenen Wochenende ist der Fluch jedoch wieder in aller Munde.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal