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Vom Boom zur Baisse und zurück

Vor allem bei Industrierohstoffen erlitten Anleger in diesem Jahr herbe Verluste

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.
Dreht man die Uhr ein Jahr zurück und lässt die Prognosen von Bankhäusern, Fondsmanagern und Analysten Revue passieren, dann hätte 2011 ein glänzendes Jahr für Rohwaren sein müssen. War es aber nicht und das hat auch etwas Gutes.

Kupfer, Aluminium, Zink und die anderen Nichteisen-Metalle sind die großen Verlierer des Jahres im Rohstoffsektor. Nach zwei Jahren mit atemberaubenden Zuwächsen (2009: 98 Prozent; 2010: 24 Prozent) fällt 2011 deprimierend aus für Bergbaukonzerne, aber auch für Anleger. Bei Kupfer pendelt der Preis pro Tonne um die 7300 US-Dollar und liegt weit unter dem Allzeithoch von 10 148 Dollar. Bei vielen Buntmetallen liegt die Nachfrage deutlich unter dem Angebot. Die Staatsschuldenkrise in Europa, die verhaltene Nachfrage in den USA sowie die Angst vor Rezession hat den Rohstoffmärkten einen Dämpfer verpasst und auch den Stahlpreis sinken lassen. Parallel haben etliche Spekulanten kalte Füße bekommen, sich die Finger verbrannt oder sind frühzeitig in den scheinbar sicheren Hafen Gold eingelaufen. Die Krisenwährung erfreut sich nach wie vor großer Nachfrage und pendelt um die 1600 Dollar pro Unze.

Trotz der 2011 sicherlich nicht gerade bombastischen Geschäfte im Rohwarensektor befindet sich viel Geld im Markt - sowohl im Bereich der Fonds als auch anderer Anlageprodukte wie der »Commodity Exchange Traded Products«. Laut einer Studie der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) werden auf diesem Markt rund 400 Milliarden Dollar bewegt - das erklärt in gewisser Weise auch die Kursbewegungen, die mit der realen Nachfrage nicht mehr viel zu tun haben.

Davon ist auch der Nahrungsmittelsektor nicht ausgenommen. Höchstpreise für Lebensmittel sind die Kehrseite der Medaille, dass immer mehr Anleger auf Rohstoffrenditen setzen. Banken, die in Lagerhäuser, Speicher und Tankschiffe investieren, sind keine Ausnahme mehr. Viele Nichtregierungsorganisationen, aber auch die UN-Landwirtschaftsorganisation FAO kritisieren, dass Spekulation die Versorgung der Ärmsten gefährde. Strengere Regeln für den Handel vor allem mit agrarischen Rohwaren seien nötig, lautet der Appell der UNO, der gerade in den USA auf große Resonanz gestoßen ist. Dort ist seit Mitte Oktober eine Verordnung in Kraft, die den Anteil begrenzt, den ein Investor über Kontrakte an den Rohstoffmärkten halten darf. Die neuen Regeln gelten ab Ende 2012 für 28 Rohstoffe, darunter Metalle, Energieträger und Nahrungsmittel sowie Gold.

Wie sich die neuen Regeln auswirken werden, dürfte auch in Europa genau beobachtet werden. Dort ist es um die Transparenz bei Lagerbeständen, Markteilnehmern und gehandelten Positionen deutlich schlechter bestellt als in den USA, kritisiert die UNCTAD. Sie fordert, das Engagement von Finanzinvestoren zu begrenzen und Rohwaren-Reserven aufzubauen. So könnte der Run auf bestimmte Rohstoffe eingeschränkt werden.

Das würde mit den Interessen der Anleger und Fondsmanager kollidieren. Ob sich daher die Regulierungstendenz durchsetzen wird, ist kaum absehbar. Aus Sicht der Betroffenen wäre es wünschenswert - für die Spekulanten könnte das aber bedeuten, dass auch 2012 kein rosiges Jahr wird.

Lexikon

Commodity Exchange Traded Products sind börsengehandelte Wertpapiere, die dem Anleger eine Investition in Rohstoffe erlauben, ohne dass er diese physisch erwirbt. Die Wertentwicklung ist an den Preis der Rohstoffe gekoppelt. Es handelt sich um Schuldverschreibungen, die vom Emittenten durch einzelne Rohstoffe besichert werden. Bei einer Pleite des Emittenten riskiert der Anleger den Totalausfall. nd

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